Schwarzes Prisma
Wahl«, erklärte Liv. »Das ist der Grund, warum es so erstaunlich ist.« Sie zog ihn zum Eingang des Turms hinüber. »Gelb ist im Allgemeinen das am wenigsten stabile Luxin. Es schimmert bei der geringsten Bewegung zurück ins Licht, wie Wasser, das binnen eines Augenblicks verkocht. Das ist der Grund, warum sie es Leuchtwasser nennen. Aber erinnerst du dich an jenen Abend vor einigen Jahren in Rekton, als dieser Harfenist spielte und nach jedem Lied eine Pause machte, um seine Harfe neu zu stimmen?«
Kip nickte. »Es schien keinen Unterschied zu machen.« Gefährliches Terrain, über zu Hause zu sprechen, aber wenn er dafür sorgen konnte, dass sie weiterredete, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach, könnte er es vielleicht für einen weiteren Tag vermeiden, ihr die Neuigkeiten zu überbringen.
Liv sagte: »Die Sache war die, er konnte erkennen, wenn seine Harfe auch nur um den Bruchteil eines Tons verstimmt war. Doch niemand sonst konnte es. Es gibt Menschen, für die das bei Licht genauso ist. Um Luxin irgendeiner Farbe herzustellen, musst du den richtigen Ton innerhalb der Farbe treffen, oder das Luxin formt sich nicht. Wenn du es nur ungefähr triffst, ist es viel wahrscheinlicher, dass das Luxin nicht gelingen wird. Also brauchst du jemand ganz Besonderen, um eine solche Arbeit zu tun.«
»Hat das etwas mit Superchromaten zu tun?«, fragte Kip. Er hatte das Gefühl, als fügten sich endlich einige Dinge zusammen.
»Ja.« Sie schien überrascht zu sein, dass er davon gehört hatte. »Du willst nicht wirklich die ganze Nacht hier draußen stehen, oder?«
»Oh.« Kip folgte ihr in den Turm.
»Superchromaten können in Farben feinere Abstufungen sehen als die meisten Menschen.«
»Bist du eine Superchromatin?«, fragte Kip.
»Hmmm-hmm. Ungefähr die Hälfte aller Frauen sind es.«
»Aber nicht so viele Männer.«
»Es gibt in der ganzen Chromeria nur zehn männliche Superchromaten.«
Ah, daher hatte Mistress Hexe Kip eine Anomalie genannt. »Das erscheint mir ungerecht«, sagte Kip.
»Was hat Gerechtigkeit damit zu tun? Weil du blaue Augen hast, wirst du mehr wandeln können als ich. Es ist keine Frage der Gerechtigkeit. Es ist einfach so.«
Kip runzelte die Stirn. »Also muss man ein Superchromat sein, um Gelb dazu zu bringen, fest zu bleiben?«
»Du willst eine kurze Antwort? Ja. In Wahrheit gibt es sogar bei der Superchromatie Abstufungen. Du hast diese Superchromatieprüfung abgelegt, und es gab vielleicht hundert Blöcke mit feinen Abstufungen? Stell dir vor, dass es tausend Blöcke gewesen wären, mit um ein Vielfaches feineren Abstufungen. Um solides Gelb zu wandeln, das fest bleibt, müsstest du diese Prüfung bestehen – und dann müsstest du die Kontrolle haben, um genau das richtige Gelb zu wandeln. Das Ergebnis ist jedoch das stärkste Luxin überhaupt.«
»Kannst du es wandeln?«, fragte Kip.
»Nein.«
»Äh, das war wahrscheinlich eine unhöfliche Frage, hm?«, erwiderte Kip und zog das Gesicht in Falten.
»Ich bin die letzte Person hier, die dir einen Verstoß gegen Einzelheiten der Turmetikette zum Vorwurf machen wird.«
»Was ein Ja ist.«
»Ja«, erwiderte sie lächelnd. Warum waren Grübchen eigentlich so schön? »Ich kann nicht glauben, dass du der … Neffe … des Prismas bist, Kip.«
»Da bist du nicht die Einzige«, erwiderte Kip. Gavin hatte also recht gehabt. Sie hielten alle inne, bevor sie »Neffe« sagten. Er vermutete, es hätte sich besser anfühlen sollen, als ständig zu hören, dass er ein Bastard sei. Aber so war es nicht.
Sie stiegen in einen anderen Aufzug und fuhren hinunter. Anscheinend gab es irgendeine Rangfolge, wer welche Räume bekam. Als sie in Livs Quartier traten, war Kip überrascht. Es war nicht nur groß, es bestand auch aus mehreren Räumen – und bot einen Blick auf den Sonnenuntergang. Dies musste die Art von Quartier sein, für die die meisten Wandler getötet hätten.
»Ich bin gerade erst hier eingezogen«, sagte Liv entschuldigend. »Ich bin eine Bichromatin. So gerade eben. Du bist sicher erschöpft. Du kannst in meinem Bett schlafen.«
Kip sah sie sprachlos an, davon überzeugt, dass sie nicht gesagt hatte, wovon er glaubte, sie habe es gesagt, und er versuchte, seine Gesichtszüge nichts verraten zu lassen.
»Ich werde im Nebenzimmer schlafen, Dummkopf. Diese neuen Teppiche sind so dick, dass ich wie eine Parianerin auf ihnen schlafen kann.«
Kip schluckte. »Nein, ich habe nicht gedacht, dass du … ich meine, ich
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