Schwarzes Prisma
könnte«, bestätigte Corvan. Er wandte sich von dem Ausblick auf die Bucht ab. »Betrug fällt dir heutzutage sehr leicht.«
»Zu viel Übung«, sagte Gavin, ernüchtert nach seiner anfänglichen Freude über die Chance, wieder mit seinem Freund zusammenzuarbeiten. »Weißt du, wenn dies funktioniert, können wir in ein oder zwei Jahren wieder Freunde sein. Selbst in der Öffentlichkeit.«
»Es sei denn, ich kann dir als dein Feind besser dienen.«
»Feinde habe ich genug. Aber meinetwegen. Jetzt habe ich eine Überraschung für dich.«
»Eine Überraschung?«, fragte Corvan zweifelnd.
»Ich darf mich nicht öffentlich dabei sehen lassen, wie ich dir etwas gebe, an dem du Freude hast, also wirst du ohne mich nach unten gehen müssen. In den Raum direkt unter diesem.« Sie traten wieder ins Ratszimmer, aber Gavin blieb stehen. »Wie geht es ihr?«
Corvan wusste, von wem er sprach und was er wirklich meinte. »Karris wirkte früher wie eine verwelkende Blume und fügte sich jedem Befehl ihres Vaters. Und sie ist eine Schwarzgardistin geworden, die linke Hand der Weißen. Wenn irgendjemand es schaffen kann, dann sie.«
Gavin holte tief Luft, setzte seine Masken der Ernsthaftigkeit und des Misstrauens wieder auf, und sie traten ins Ratszimmer. Hauptmann Eisenfaust war bereits zurückgekehrt. Er stand mit der lockeren, beiläufigen Wachsamkeit eines Mannes neben den Haupttüren, der einen zu großen Teil seines Lebens damit verbrachte, zu bewachen, zu warten und zu beobachten. Er war an Untätigkeit gewöhnt und auf Gewalt vorbereitet.
»Hauptmann«, begann Gavin. »Corvan Danavis und ich sehen uns einem gemeinsamen Feind gegenüber. Er hat sich bereitgefunden, uns zu helfen, die Verteidigung Garristons zu koordinieren. Verständigt bitte die Männer, dass sie von diesem Moment an unter dem Kommando von General Danavis stehen. Der General wird nur mir verantwortlich sein. General, kommt Ihr von jetzt an allein zurecht?«
Corvan sah aus wie ein Mann, der essigsauren Wein geschluckt hatte und nicht sehr gut darin war, diese Tatsache zu verbergen. »Ja, mein Lord Prisma.«
Gavin machte eine wegwerfende Handbewegung. Abrupt und ein wenig herrisch. Sollte Hauptmann Eisenfaust denken, dass er damit seine Dominanz sicherstellte. Corvan biss die Zähne zusammen, aber er verbeugte sich und verließ den Raum.
Geh, mein Freund, und möge dein Wiedersehen mit deiner Tochter ein winziges Maß des Elends wiedergutmachen, das du meinetwegen erlitten hast.
61
»Wille ist das, was die Chromeria beängstigend macht, selbst für uns«, sagte Liv. Die Sonne berührte draußen gerade den Horizont, und wie aufs Stichwort kamen Kammersklavinnen herein und begannen Lampen und ein Feuer zu entzünden.
»Wer ist dieser Wille, und wie halten wir ihn auf?«, fragte Kip.
»Kip.« Liv senkte den Kopf. »Konzentrier dich.«
»Entschuldige, sprich weiter.« Sie ignorierte die Kammersklavinnen, also versuchte Kip, das Gleiche zu tun.
»Wille ist nur das, wofür du ihn hältst. Du zwingst der Welt deinen Willen auf. Du benutzt deinen Willen, um Magie geschehen zu lassen. Der Wille kann die Mängel fehlerhaften Wandelns überspielen. Das ist vor allem wichtig für Farbschmierer.«
»Farbschmierer?«
»Alle männlichen Wandler und die Hälfte der weiblichen Wandler, die keine Superchromaten sind«, erklärte Liv. Dann hielt sie inne. »Nun, die meisten Männer, hm?«
Der Ausdruck war ein wenig gemein: Wir sind besser als ihr, ihr hilflosen Schmierfinken. Ihr schmiert rum, wir haben auf Anhieb Erfolg. Aber genauso funktionierte die Chromeria, nicht wahr? Alles drehte sich um Macht und Dominanz. »Klar«, sagte Kip. »Farbschmierer. Diese traurigen Säcke, die Magie nur versuchen können. Jämmerlich.« Selbst wenn Kip sich in der Elitegruppe befand, bedeutete das nicht, dass ihr Benehmen ihm gefallen musste.
Liv errötete und erwiderte: »Hör mal Kip, es braucht dir nicht zu gefallen, aber du musst damit fertig werden. Und du wirst deine Sache wahrscheinlich besser machen, wenn du nicht auf jede Kleinigkeit allergisch reagierst. Es ist nicht wie zu Hause. Und was glaubst du, warum? Weil wir jetzt kein Zuhause mehr haben. Die Chromeria ist alles, was wir kriegen, und wir haben es gut getroffen. Also werd erwachsen.«
Es war, als hätte er einen Schlag ins Gesicht bekommen. Sie hatte recht, aber er hatte nicht mit so viel Vehemenz aus dem Nichts gerechnet. Er wandte den Blick ab. »Klar. Tut mir leid.«
Sie stieß den Atem aus.
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