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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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können, selbst wenn es das gewollt hätte.
    Mit der linken Hand berührte er das Pferd. Orholam. Die Haut barst und riss auf und begann an jedem Glied zu bluten. Kip stieß einen kleinen Schrei aus. Aber selbst der Gedanke an seine eigene Qual zwang seinen Blick zurück zum Feuer, zu den Menschen, die er getötet hatte, und zu jenen, die noch nicht tot waren, es aber bald sein würden. Sein Herz fühlte sich an wie aus Holz, als sollte er mehr empfinden, aber er konnte einfach nicht.
    Als er jedoch zurückblickte, sah er einen jungen Mann zwischen den Körpern umhergehen und sie untersuchen. Der junge Mann – nein, ein Junge, denn er konnte trotz seiner prächtigen Kleider nicht älter sein als sechzehn – zog sich weiße Rehlederhandschuhe aus. Große Hakennase, olivfarbene Haut, blaue Augen, dunkles Haar. Über seinem weißen Hemd waren seine Unterarme bedeckt mit vielfarbenen Armschützern mit fünf dicken Farbbändern vor einem weißen Hintergrund. Sein Umhang wiederholte das Muster, von einem schwarz umrandeten Band, das unscharf wirkte – Infrarot? –, zu Rot zu Orange zu Gelb zu Grün. Blau und Ultraviolett fehlten. Man brauchte kein Genie zu sein, um zu erraten, dass er ein Polychromat war.
    Aber das war es nicht, was Kips Aufmerksamkeit fesselte. Von all den vielen tausend Menschen in diesem Lager und von den Hunderten von Wandlern, die sie haben mussten, erkannte Kip gerade diesen einen. Er war Teil der Truppe gewesen, die Rekton zerstört hatte. Er hatte persönlich versucht, Kip am Wassermarkt zu töten. Zymun, hatte der Meister des Jungen ihn genannt. Kips Herz fiel ihm in die Hose, als sei er ein Kind, das von einem Wasserfall sprang.
    Zymun setzte eine grüne Brille auf. »Hallo, Feuerfreund«, sagte er. »Willkommen in unserem Krieg. Ich nehme an, du bist hier, um dich den Freien anzuschließen?«
    »Richtig«, antwortete Kip, als er seine Stimme wiederfand. Die Freien?
    Smaragdfarbener Rauch kreiselte in Zymuns Hände hinein. »Nur damit du Bescheid weißt«, sagte er, »du kannst töten, wen du töten musst – obwohl Lord Omnichrom es vorzieht, wenn es nicht so wahllos geschieht –, aber wenn du es tust, dann mach bitte nachher sauber.« Er bewegte die Arme langsam in einem Kreis, ging in die Knie und wirkte, als ziehe er Energie in sich hinein. Dann stieß er die Hände vor. Pa-pop, pa-pop. Vier Dornen aus grünem Luxin, ein jeder so lang wie ein Finger, schossen in zwei Salven heraus. Rund um das Feuer platzten beinahe gleichzeitig vier Köpfe mit einem nassen Spritzen auf. Die Verwundeten. Ihr Stöhnen brach sofort ab.
    Kip würgte.
    Zymun wirkte selbstzufrieden. Er klappte seine grüne Brille zusammen und steckte sie sich in die Tasche.
    Er gibt an. Er gibt an, indem er Menschen tötet.
    Zymun runzelte plötzlich die Stirn, als Kip vor ihn hintrat. »Wie heißt du?«
    »Kip«, sagte Kip, bevor ihm der Gedanke kam, dass es vielleicht eine schlechte Entscheidung sein könnte, seinen echten Namen zu benutzen.
    »Kip, du hast einen Zahn im Kopf.«
    Häh? Kip zeigte die Zähne und deutete darauf. »Tatsächlich habe ich all meine Zähne im Kopf.« Tu so, als hättest du nicht den Wunsch, dich zu übergeben, Kip. Kämpf dich da durch.
    »Nein, nicht deinen Zahn«, entgegnete Zymun. Er deutete auf seine eigene Kopfhaut, als sei sie ein Spiegel.
    Kip griff nach oben, und tatsächlich, in seinem Kopf steckte ein Zahn. Was zur Hölle? Er zog ihn heraus, zuckte zusammen, und frisches Blut tropfte über sein Gesicht.
    »Hmm«, brummte Zymun. »Vielleicht werden wir dich zuerst zu den Chirurgen bringen und dich untersuchen lassen.«
    »Zuerst?«, wiederholte Kip.
    »Ja, natürlich. Lord Omnichrom besteht darauf, all unsere Wandler kennenzulernen. Selbst die schlampigen.«

71
    Während sich Dunkelheit über das gewaltige Heerlager senkte, wanderte Liv zwischen den Feuern und Zelten umher; ihr wurde immer deutlicher bewusst, dass sie allein war und eine Frau, umringt von rauen Männern. Unmengen rauer Männer. Männer, die zu laut lachten, zu viel tranken und Angst vor der bevorstehenden Schlacht hatten. Und wenn sie wegen ihrer tyreanischen Herkunft in der Chromeria eine Ausgestoßene gewesen war und man sie mit Eifer ignoriert hatte, so besaß sie hier keinen solchen Schutz. Die meisten der Männer musterten sie so verstohlen, dass sie es, wäre ihr nicht so inbrünstig bewusst gewesen, dass sie allein war und nicht angesehen werden wollte, niemals bemerkt hätte. Andere starrten sie derart

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