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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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hier, dachte sie abermals. Ihre Wange pulsierte, und noch immer rann Blut über ihr Gesicht. Die Explosion des Schießpulverwagens hatte ihr das Bewusstsein geraubt, und eine Kartätsche hatte ihr Schnittwunden an einem Dutzend Stellen beschert. Sie wusste nicht, wie sie sie unter all den Leichen gefunden hatten. Sie wusste nicht, warum sie sie wollten.
    »Wie kommst du hierher, Aliviana Danavis?«
    »Größtenteils zu Fuß«, sagte sie. Danavis, das war es also. Sie wussten, dass ihr Vater die feindliche Armee befehligte. Und sie hatte sich ihnen törichterweise in die Hände gespielt. Gut gemacht, Liv.
    Lord Omnichroms Gefolgsleute umringten sie: Wandler jeden Typs mit gebrochenen Halos, Soldaten, Boten und einige hochrangige Offiziere König Garaduls, die sich in der Nähe all dieser Wandler und erst recht in der Nähe Lord Omnichroms entschieden unwohl zu fühlen schienen. Lord Omnichrom ergriff eine seltsame Muskete, die so lang war, wie er groß war. Er hob sie an, legte den Lauf auf eine Gabelstütze, die in der Erde steckte, und zielte den Hügel hinunter in Richtung der Kämpfe.
    »Mitten auf diese grüne Tür«, sagte er.
    »Drittes Haus von links?«, fragte ein Mann, der ihm offensichtlich assistierte.
    Liv wusste nicht viel über Musketen, aber sie wusste, dass man auf eine Entfernung von dreihundert Schritt keinen so genauen Schuss zuwege bringen konnte. Nicht dass man sich gern auf diese Entfernung beschießen ließ, aber über mehr als hundert Schritt war das Treffen eher eine allgemeine Hoffnung. Nichtsdestoweniger holte Lord Omnichrom tief Luft, schaute durch den Nebel über den Lauf und feuerte.
    Die Muskete brüllte.
    »Drei Handbreit darüber, eine Handbreit links«, sagte der Assistent.
    Lord Omnichrom reichte ihm die Muskete, damit er sie nachlud. Dann wandte er sich an Liv. »Ich will, dass du dich mir anschließt, Liv. Ich habe dich gestern Nacht gesehen, wie du zugehört hast. Du hast verstanden. Ich konnte erkennen, dass du verstanden hast.«
    Orholam, sie hatte das Gefühl gehabt, dass er sie angesehen hatte, aber dann hatte sie den Gedanken als Einbildung abgetan. In der vergangenen Nacht hatten ihm Tausende zugehört. Und wie hatte er sie erkannt?
    »Du liebst deinen Vater, nicht wahr, Liv?«
    »Mehr als alles andere«, sagte sie. Woher kannte er ihren Namen und erst recht ihren Kosenamen?
    »Und wie alt ist er?«
    »Vielleicht vierzig«, antwortete sie.
    »Also alt. Für einen Wandler. Wenn er kein Wandler wäre, könnte er noch einmal vierzig Jahre leben. Aber als ein der Chromeria loyaler Wandler ist er bereits ein alter Hund, nicht wahr? Die meisten Männer schaffen es nicht bis vierzig. Dein Vater muss sehr diszipliniert sein, sehr stark.«
    »Stärker, als Ihr wisst«, sagte Liv. Eine Woge von Gefühlen stieg in ihr auf. Wer war dieser Bastard, der über ihren Vater sprach? Sie würde niemanden schlecht von ihm reden lassen. Er war ein großer Mann. Selbst wenn er Fehler gemacht hatte.
    Der Gehilfe gab Lord Omnichrom die lange Muskete zurück. Er hob sie hoch, stabilisierte ihr beträchtliches Gewicht auf der Gabel und sagte: »Blauwandler, direkt rechts vom Torhaus.«
    Liv schaute entsetzt zu, während Lord Omnichrom wartete. Der Blauwandler duckte sich hinter eine Zinne, kam hoch, um Tod auf die Männer unter ihm zu werfen, und duckte sich abermals. Er kam hoch, und Lord Omnichrom sagte: »Herz.« Die Muskete brüllte.
    Eine Explosion aus Licht und Blut, und der Wandler war aus ihrem Gesichtsfeld verschwunden.
    »Schulter, links von Euch«, sagte der Gehilfe. »Eine Handbreit links und drei Daumenbreit hoch.«
    Lord Omnichrom reichte die Muskete mit einem höflichen Nicken zurück. »Wenn die Zeit kommt, wirst du es ihnen sagen?«, fragte er Liv.
    »Es ihnen sagen? Dass mein Vater so weit ist?« Liv zögerte. »Ich werde tun, was ich tun muss.«
    »Was du tun musst. Interessant, wie sie das zuwege bringen, nicht wahr? Was ist, wenn du es nicht mehr rechtzeitig bis zur Chromeria schaffen könntest? Würdest du deinen Vater selbst töten, mit eigener Hand? Was, wenn er dich bäte aufzuhören? Was, wenn er dich anbettelte?«
    »Mein Vater ist nicht solch ein Feigling.«
    »Du weichst der Frage aus.« Lord Omnichroms Augen waren orangefarbene Wirbel. Liv hatte Orangefarbene nie besonders gemocht. Sie hatten sie immer beunruhigt. Als sie lange Sekunden schwieg, fuhr er fort: »Ich verstehe vollkommen. Als ich meine eigene Chromeria gründete, bin ich ihnen anfangs ebenfalls blind

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