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Schwarzes Prisma

Schwarzes Prisma

Titel: Schwarzes Prisma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brent Weeks
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und die leuchtenden weißen Mauern von Großjasper waren die Tausend Sterne. Alle Straßen waren vollkommen gerade, und an jeder Kreuzung erhob sich ein Paar schmaler Bögen, unmöglich dünn auf ihren weißen Beinen, mindestens zehn Stockwerke hoch und oben miteinander verbunden durch ein Kreuzgewölbe. Drehbar angebracht überragte ein kreisrunder Spiegel von mehr als Mannshöhe die Spitze dieses Gewölbes an jeder einzelnen Kreuzung. Die auf Hochglanz polierten Spiegel konnten – das war der Sinn des ausgeklügelten Netzes schnurgerader Straßen – so eingestellt werden, dass das Licht, sobald die Sonne über den Horizont gestiegen war, jeden Winkel der Stadt erreichte.
    Vor langer Zeit hatten die Erbauer gesagt: In dieser Stadt wird es keinen Schatten geben, den Orholams Auge nicht berühren kann. Auf Großjasper war der Tag länger als irgendwo sonst auf der Welt.
    Der ursprüngliche Zweck war wohl gewesen, die Macht der Wandler auf der Insel auszudehnen. In anderen dicht bevölkerten Städten verdeckten die Gebäude irgendwann die Sonne. Das vermittelte in der Stadt nicht nur ein Gefühl der Dunkelheit, es bedeutete auch, dass Wandler in diesen Straßen verletzbar waren. Die Gebäude hier standen je nach ihrer Höhe und Breite wohlbemessen voneinander entfernt, und mit den Tausend Sternen hatte ein Wandler mehr Licht zur Verfügung als an jedem anderen Ort.
    Am Sonnentag wurde jeder einzelne der Tausend Sterne zum Sklaven des Prismas. Wo immer er sich aufhielt, drehte sich jeder Spiegel und beleuchtete ihn. Selbstverständlich wurden einige Strahlen von Gebäuden blockiert, aber wohin er auch ging – selbst in den ärmsten Vierteln hatten zumindest einige Gebäude eine unverstellte Aussicht. In der Tat, bevor irgendjemand ein Gebäude errichtete, mussten seine Pläne einer Inspektion unterzogen werden, um sicherzustellen, dass sie die Funktion der Tausend Sterne nicht beeinträchtigten. Nur in sehr wenigen Fällen hatte man die Regeln umgehen können, wie zum Beispiel beim Bau des Palastes der Guiles.
    Natürlich, dachte Liv, gelten für die obszön Reichen nicht dieselben Regeln. Das tun sie nie. Nicht hier.
    Jedes Stadtviertel durfte entscheiden, wie es seine Sterne zu benutzen wünschte, wenn sie nicht für die Verteidigung, für die Durchsetzung des Gesetzes oder für religiöse Pflichten benötigt wurden. Einige bewegten ihre Sterne in starren Mustern als eine Art Lichtuhr, die jeder im Bezirk leicht sehen konnte.
    Heute veranstaltete das erste Viertel, durch das Liv kam, das der Botschaften, einen Markttag. Sie hatten über die Hälfte ihrer Sterne gelbe Gläser geschoben und erhellten den großen Marktplatz mit fröhlichem Licht. Ein halbes Dutzend Gelbwandler, eigens für den Anlass eingestellt, jonglierten mit Leuchtwasser, flüssigem, gelbem Luxin. Drachen explodierten in der Luft, große Fontänen von schimmerndem, verdunstendem gelbem Luxin schossen himmelwärts und zogen große Menschenmengen auf den Marktplatz. Die andere Hälfte der Sterne, versehen mit Linsen aller Farben, drehte sich in einem schwindelerregenden Spektakel in großen Kreisen um den Markt.
    Liv bemitleidete die Turmaffen – die zierlichen Sklaven, häufig Kinder –, die heute hier mit den Seilen arbeiten mussten. Für die Verhältnisse von Sklaven wurden sie gut behandelt und sogar bezahlt; ihre Arbeit für die Sternenhüter galt als wichtig und technisch schwierig, ja sogar als heilig, aber sie verbrachten ihre Tage zu zweit in den schmalen Spindeln. Einer beobachtete, während der andere mit geschickten Händen die Seile bediente, und oft arbeiteten sie vom ersten Schimmer der Morgendämmerung an bis in die Dunkelheit der Nacht, ohne eine Pause, außer dass sie einmal ihre Aufgaben tauschten. Wenn das Prisma oder ein Ultraviolettwandler reiste und die Sterne benötigte, konnte er das direkt tun, mithilfe von Magie. Aber jeder weltliche Zweck erforderte die Dienste der Affen.
    Müßig dachte Liv daran, sich an einem der ultravioletten Steuerstränge zu schaffen zu machen, die in die Straße eingebettet waren, und die Kontrolle über einen Stern zu übernehmen, nur um auf dem Fest der Reichen Aufruhr zu stiften. Das war das Schöne daran, ein Ultraviolettwandler zu sein. Niemand konnte erkennen, dass man wandelte, wenn er nicht ebenfalls in der Lage war, Ultraviolett zu sehen.
    Trotzdem, es war nicht so, als würde sie die erste Schülerin sein, die etwas Derartiges tat. Strafen folgten solchen Streichen auf dem Fuße

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