Schwarzes Verlangen
Lächeln umspielt. Ihn hatte die reinste Wonne erfüllt. Doch dann war sie krank geworden. Dann waren ihre Familie und ihre Freunde krank geworden. Dann waren sie alle gestorben – gemeinsam mit Tausenden anderen.
Und jetzt, wo Cameo ihn brauchte …
Er war schlimmer als nutzlos. Er war ein Versager. Weder war er rechtzeitig hier gewesen, um sie davor zu bewahren, noch konnte er zu ihrer Rettung eilen. Beißend brannten Frustration und Verbitterung in seiner Brust, eine giftige Mischung, die sich mit der Gefahr in seinem Blut verband.
Vor dem Zwangskäfig blieb er stehen. Zwei der Artefakte befanden sich darin, noch an derselben Stelle, wo sie zu Boden gefallen waren, als Cameo verschwunden war. Die Rute stand draußen, an die Gitterstäbe gelehnt. Wenn er dasselbe tat wie Cameo, würde er dann dorthin gelangen, wo sie war? Wo sich auch Viola befand?
Vielleicht.
Wahrscheinlich.
Das ist das Risiko wert, dachte er.
Entschlossen trat er vor und schloss die Finger um den Türrahmen des Käfigs.
„Hey! Was, glaubst du, hast du da vor?“, erklang hinter ihm eine Stimme.
Er versteifte sich. „Was glaubst du denn, was ich vorhabe?“
Anya, die Inkarnation der Anarchie und Freundin des Hüters des Todes , stand mit verschränkten Armen an die Tür gelehnt. Sie war groß und blond und eine der schönsten Frauen, die je erschaffen worden waren; außerdem war sie auch eine der lästigsten, denn Chaos war ihr jederzeit lieber als Ruhe. Heute trug sie ein hautenges Minikleid, das aussah – Moment, es war aufgemalt.
Gütiger Himmel.
„Bessere Frage: Wirst du Lucien davon erzählen?“
„Als er heute Morgen verschwunden ist, um ein paar Seelen ins Jenseits zu eskortieren, hat er es versäumt, mich mit einem Kuss zu wecken und mir zu sagen, dass er mich liebt. Deshalb strafe ich ihn im Augenblick mit Schweigen.“
Und Lucien freute sich vermutlich einen Ast. Nicht dass Torin so etwas jemals lautgesagt hätte.
Lieber wechselte er das Thema. „Neuer Look?“
„Neue Foltermethode für Lucien. Der wird nie wieder vergessen, mich zum Abschied zu küssen!“
„Wahrscheinlich dachte er, du würdest mehr als einen Kuss von ihm verlangen, hatte aber nicht die Zeit, es dir zu geben.“
„Er hat immer Zeit, es mir zu besorgen.“
Fast hätte er gelächelt, und der Anflug von Humor, so klein er auch war, überraschte ihn. Aber diese Wirkung hatte Anya nun mal auf andere. „Willst du versuchen, es mir auszureden?“, fragte er und deutete auf die Artefakte.
„Ach was. Ich will Cameo genauso sehr wiederhaben wie du. Aber wenn du stirbst, will ich dein Zimmer. Ich denke darüber nach, mir ein Haustier zu besorgen, das Violas Teufel frisst, und meine Süße wird ihr eigenes Reich brauchen.“
„Es gehört dir.“
Sie nickte, als hätte sie nichts anderes erwartet. „Lass dir noch gesagt sein, dass es mir immer eine Freude war, dich anzusehen. Dein schönes Gesicht wird mir fehlen.“
Er konnte das Grinsen nicht länger unterdrücken. „Ich hab dich auch immer gern angesehen.“
Sie warf ihm einen Luftkuss zu.
Weil er den Allschlüssel in sich trug, konnte er alles auf der Welt mit einer bloßen Berührung öffnen. Der Zwangskäfig bildete da keine Ausnahme. Als er hineingetreten war, fiel die Tür scheppernd hinter ihm ins Schloss.
„Ich hab das Gefühl, dies ist der perfekte Moment, um dir mitzuteilen, dass ich die Besitzerin des Zwangskäfigs bin“, sinnierte Anya, tippte sich ans Kinn und betrachtete ihn nachdenklich. „Cronus hat ihn mir vermacht. Ich könnte dir befehlen, dich auszuziehen, und du müsstest mir gehorchen.“
Torin ignorierte sie und musterte das Gemälde. Das Büro eines Mannes. Eine gläserne Vitrine. Artefakte. Eines davon war eine kleine beinerne Schatulle. Die Büchse der Pandora? Vielleicht. Warum war ihm die nicht vorher aufgefallen? Er hob den Umhang auf und legte ihn sich um die Schultern, wie er es bei Cameo beobachtet hatte. Dann zog er einen Handschuh aus, griff nach draußen und schloss die Finger um die Rute. Aber …
Nichts geschah.
„Tja, wenn das mal nicht enttäuschend war“, kommentierte Anya trocken. „Bis später, Krankheit .“
Sie ließ ihn allein, und er fluchte. „Du willst mit meiner Krankheit nichts zu tun haben?“, knurrte er die Rute an. „Hä? Ist es das? Darfst du dir etwa aussuchen, wen du annimmst?“
Er warf den Umhang zu Boden, verließ den Käfig und folgte Anya, angewidert von sich selbst.
Cameo fühlte sich, als wäre sie in einer
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