Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
Grinsen entblößt waren. Sie knibbelte an den Überresten, aber das zerrissene, graue Fleisch blutete nicht mehr. Die meisten der Kinder starrten Bitharn nur an, apathisch und mit glasigem Blick.
An dem schwankenden Ufer zwischen Licht und Schatten ragte der Stiefel einer Frau hervor. Messingnägel glänzten in der Sohle. Die Spitzen waren von langem Gehen abgenutzt, aber auf einer war ein Sonnenzeichen zu erkennen. Bitharn stockte der Atem. Schuster in Cailan benutzten diese Nägel und versprachen den Gläubigen, dass solche Stiefel ihnen helfen würden, »im Licht der Strahlenden zu wandeln« und dass sie ihnen Glück bringen würden.
»Oh nein«, flüsterte Bitharn.
Sie hatte Evenna und Asharre gefunden. Beide lebten. Beide lebten und waren keine Maelgloth … aber das war das Beste, was sie von ihnen sagen konnte. Sie biss sich in die Innenseite ihrer Wange, damit sie nicht aufschrie, und hob ihre Laterne.
Evennas Schönheit war dahin. Sie hatte sich die untere Hälfte ihres Gesichts in Fetzen gerissen. Es sah aus wie eine dieser schauerlichen Masken aus Festelle, nur noch verdrehtes Leder um eine sabbernde Mundhöhle. Das Gesicht über den Wangenknochen war unberührt, bis auf einen Rußfleck auf der Stirn. Ein winziger Blutstropfen prangte auf ihrer Nasenspitze.
Die Hände der Erleuchteten lagen reglos in ihrem Schoß. Die Nägel waren verkrustet mit Blut und rosigen Hautstreifen. Sie hatte sich das selbst angetan … und jetzt saß sie heiter und unbeschwert da, ihre Aufmerksamkeit auf den leeren Raum gerichtet. Bitharn wandte sich ab, außerstande, den Anblick zu ertragen.
Asharre war nicht verstümmelt, aber da war eine solch schreckliche Verzweiflung in ihren Augen, dass es beinahe leichter fiel, Evenna anzusehen. Obwohl die Sigrir über einen Kopf größer war als die schwarzhaarige Erleuchtete, hockte sie so in sich zusammengesunken da, dass die beiden Frauen scheinbar gleich groß waren. Hinter der Mauer aus rituellen Narben zeigte ihr Gesicht bloß noch dumpfe Hoffnungslosigkeit. Fett und Blut verkrusteten ihr kurzes eisblondes Haar. Auch ihre Stirn war voller getrockneter Schlammflecken, und darunter war ein Ring schwieliger Blasen zu erkennen. Vier über vier, wie Bitharn fröstelnd sah.
»Ich habe sie verraten«, murmelte Asharre. Die unermüdlich wiederholten Worte hörten sich an wie einstudiert, ihre Bedeutung war längst zerschlissen. Wollige Schwärze überzog ihre Zunge. Noch mehr befleckte die Innenseiten ihrer Hände und Finger und kroch wie ein Pilz an ihren Handgelenken hinauf. »Ich habe versagt. Ich habe sie verraten.«
»Es war nicht Euer Werk«, erwiderte Bitharn. »Gethel und sein Schwarzfeuerstaub haben diese Menschen verdorben, nicht Ihr.«
»Es war mein Versagen.« Asharre wandte das Gesicht der Wand zu und hob eine schwarz befleckte Hand, als wolle sie ihre Einmischung abwehren. »Maol wusste, dass ich die Schwache war. Er wusste es. Überlasst mich meinem Versagen. Lasst mich allein.«
»Wir brauchen Tode«, erklärte Malentir, der mit seinem Elfenbeinmesser spielte und den Blick mit offenkundiger Erheiterung über die zusammengekauerten Gestalten gleiten ließ. Weder der Schmutz noch das Elend der Kinder in der Grube schienen ihn zu berühren; wenn überhaupt, wirkte er in der Anwesenheit ihres Schmerzes nur umso stärker. Seine eigene Erschöpfung schwand, während er dort stand und zuschaute.
»Nicht ihren«, sagte Kelland.
»Dann wessen, Herr Ritter? Bitte, entscheidet Euch schnell. Gethel ist tot, und wir haben Eure ach so kostbaren Opfer gefunden, also ist unsere Arbeit an diesem Ort beendet. Ich verspüre nicht den Wunsch, länger hier zu verweilen. Maols Anwesenheit ist immer noch sehr stark, und der Makel, den ich über Aurandane empfangen habe, dringt mit jedem Moment tiefer ein. Wenn Ihr lange genug wartet, könnten wir durchaus dieses Labyrinth mit unseren eigenen Knochen wieder aufbauen trotz unseres ›Sieges‹ in der Schlacht.«
»Wie viele Tode braucht Ihr?«, fragte Bitharn.
»Für uns? Einen. Für all diese armen nutzlosen Seelen …« Er betrachtete die hohläugigen Menschen im Raum mit einem abschätzenden Blick. »Etwas wird wahrscheinlich mein Gebet stören, um uns an einer Flucht zu hindern, und ich bin schwächer als zuvor. Also sagen wir: fünf. Der Verstand dieser Kreaturen ist getrübt, und ihre Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, eingeschränkt, aber fünf sollten genügen.«
Bitharn nickte. Sie zeigte auf vier der Reglosen und auf das
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