Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
die Ketten, folgte ihrem Verlauf und bog eines der verzerrten Beine des Tisches hoch, zur genaueren Untersuchung. Die Beine hatten Gelenke und waren auf unheimliche Weise beweglich; das Obsidianteil bewegte sich beinahe wie ein menschliches Glied. »An diesem ist Blut und weniger Staub. Gethel hat es für seine Bedürfnisse umfunktioniert. Hier und hier. Aber warum – ah, ja! Natürlich.«
»Was ist?« Bitharn betrachtete die Ketten von der Tür aus; es widerstrebte ihr, auch nur einen Fuß in diesen Raum zu setzen.
»Der Preis für seine gottlose Magie.« Der Dorn zog das Bein des Tisches höher, damit sie es sehen konnten. Eine Manschette war grob an dem Stein befestigt worden. Sie war dazu gedacht, einen menschlichen Arm an das Bein des Tischs zu binden, und sie war leicht nach hinten gebogen, sodass sie die Hand eines Gefangenen gewaltsam in eine flache Tasse dahinter drücken würde.
Die Tasse war zu klein für die Hand eines Erwachsenen. Bitharn prallte zurück. »Er hat Kinder geopfert?«
»Benutzt. Nicht geopfert. Es hätte ihm nichts eingebracht, wenn sie zu schnell gestorben wären.« Der Dorn trat aus dem Lichtkreis der Laterne und verschwand in der Dunkelheit auf der gegenüberliegenden Seite des Altars. »Seine Messer sind hier. Messer und der Schwarzfeuerstaub, den seine Kreaturen von Duradh Mal heraufgebracht haben. Hier haben seine Former geblutet und den Geist in dem Staub geweckt, damit er sich zu Waffen formen ließ.«
Bitharn sah Kelland an. Als der Ritter stumm blieb, richtete sie den Blick wieder auf den Dorn. »Former?«
»Kommt her und seht es Euch an. Von dem Altar geht nicht mehr Gefahr aus als von irgendeiner anderen Stelle an diesem verfluchten Ort.«
Widerstrebend, sich an ihre Laterne klammernd, betrat sie den Altarraum. Gewisper und Gezisch umgaben sie, als sie die Schwelle überschritt. Winzige Gesichter – die hungrigen, blutleeren Spiegelbilder von nicht anwesenden Kreaturen – trieben aus den Tiefen des Obsidiantisches herauf und starrten sie an. Die Wasserspeier zu Füßen des Altars lachten leise gurgelnd, und ihr Atem ließ einen klebrigen Hauch von Verwesung in der Luft zurück. Geräusche und Gefühle erstarben bei Kellands Eintritt. Er hatte mittels seiner nahezu erschöpften Reserven eine Fingerflamme heiligen Lichts heraufbeschworen, und ihr Schein erstickte offenbar, was an rastlosen Phantomen verblieben war.
Das war ein kleiner Trost für Bitharn. Ob ihre Wahrnehmungen Wahnsinn waren oder der Wahrheit entsprachen – sie wurden von Maol herbeigerufen. Und es gab eine weitere Tür auf der anderen Seite des Raums, also mussten sie weitergehen.
Drei Knochenmesser hingen an Haken auf der gegenüberliegenden Seite des Altars. Zwei Kisten mit grobem, schwarzem Sand standen darunter, und eine dritte Kiste war gefüllt mit klobigen Kieselsteinen in der Größe von Wachteleiern. Die Kieselsteine hatten Rillen, die Bitharn an ihre kläglichen Versuche aus der Kindheit erinnerten, Pasteten zu machen. Es war ihr nie gelungen, den Teig gut durchzukneten; sie hatte ihn immer zu fest gedrückt, sodass er zu Krümeln mit ihren Fingerabdrücken zerbrochen war.
»Das war die Arbeit der Former? Mit den Händen Schwarzfeuerstaub zu Bällen drücken?«
»Mit ihren Händen und ihrem Blut, auf dem Altar des Wahnsinnigen Gottes. Ja.« Malentir wirkte noch ausgezehrter als im Labyrinth; die Adern traten blau auf seinen Handrücken hervor, und die Schatten unter seinen Augen hatten sich ausgebreitet, bis sein Gesicht das Aussehen eines Totenschädels hatte. Aber seine Stimme bebte nicht. »Knochen und Blut erwecken seine Magie. Das war einer der Gründe, warum seine Kreaturen in Duradh Mal Werkzeuge aus Knochen benutzt haben, und das hat er auch hier getan. Er hat den Kindern die Hände aufgeschnitten und sie den Staub zwischen den blutenden Innenflächen zusammendrücken lassen, und so wurden die Steine hergestellt. Gethel hat die Macht vielleicht nicht verstanden, die er angezapft hat, aber irgendetwas hat ihn die richtigen Riten gelehrt.«
Während ihres Gesprächs hatte Kelland durch den Bogen und am Altar vorbeigespäht. »Etwas Lebendes ist dort drin. Etwas Menschliches«, sagte er abrupt und verließ den Raum.
Ihr Messer fest umklammernd, eilte Bitharn hinter ihm her. Ein Körnchen Wut brannte sich allmählich durch den Nebel aus Furcht und Erschöpfung, aber dieser aufkeimende Zorn erlosch, als sie die Tür erreichte. Schniefen und Schluchzen drang hindurch, und die
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