Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
Vom Netzwerk:
intensive Zustand von Bewusstheit, zugleich eingestimmt auf ihre unmittelbare Umgebung und seltsam distanziert vom eigenen Körper zu sein, der sie vor der Schlacht überkam. Ihr stetig dröhnender Herzschlag rief sie zu einem Tanz, der bald beginnen würde.
    Asharre war nicht überrascht, als Bitharn anklopfte. Sie hatte das Zeichen seit Stunden erwartet, oder etwas in der Art; noch bevor sie die Tür öffnete, wusste sie, dass Bitharn gekommen war, um sie zur Jagd zu rufen. Die Sigrir erhob sich, streifte Umhang und Schwertgürtel über und trat hinaus. Sie trug Aurandane, nicht ihren eigenen Caractan. Ihre Waffe war ein alter, vertrauter Freund, aber heute Nacht würde sie ihr nicht dienen.
    »Der Dorn hat Corban gefunden«, berichtete Bitharn leicht atemlos. Ihre Wangen unter ihrer Kapuze waren vor Kälte und Anstrengung gerötet. Von ihrem durchweichten Umhang tropfte das Wasser und bildete einen Kreis um ihre Füße.
    »Wo?«, fragte Asharre.
    »In der Nähe der Häfen. Mehr wollte er uns nicht verraten. Wir sollen uns mit ihm in dem geheimen Schlupfwinkel der Erleuchteten auf der Straße der Kleinen Blumen treffen. Kelland müsste bereits dort sein.«
    Asharre nickte, zog ihre Kapuze hoch und folgte der jüngeren Frau aus dem Tempel in das Unwetter.
    Draußen überfiel sie die Dunkelheit mit einem stürmischen Wind, der ihr den Regen ins Gesicht peitschte, sodass sie nichts weiter sagen konnten. Asharre zog ihren Umhang zum Schutz gegen den strömenden Regen fest um sich und konzentrierte sich ganz auf Bitharns Stiefel, die zwei Schritte vor ihr über das Pflaster platschten.
    Die Stadt war menschenleer in dem Unwetter. Halb geblendet von den Regentropfen, ihre einzige Gefährtin ein gesichtsloser Geist vor ihr, fiel es Asharre nur allzu leicht, sich einzubilden, sie wäre wieder in Cardental – oder schlimmer noch, sie wandele durch eine Vision dessen, wozu Cailan vielleicht werden würde, wenn sie versagten.
    Doch zuvor würden sich Ströme von Blut durch die Straßen ergießen. Und der Brand, der die Stadt verzehren würde, bevor sie sich dem Schweigen der Asche ergab, war ein Gräuel, das Asharre sich nicht ausmalen wollte. Sie schloss ihr inneres Auge davor und konzentrierte sich stattdessen auf das Peitschen des Regens, auf die schlüpfrigen Pflastersteine unter ihren Füßen und das Heulen des Windes über den steinernen Dächern.
    Es war beinahe eine Überraschung, als sie den geheimen Schlupfwinkel erreichten. Die Straße der Kleinen Blumen, so benannt nach den billigen Bordellen, die sie säumten, war einer der Stadtteile Cailans mit der größten Gewalttätigkeit. Seeleute und Hafenarbeiter torkelten zu jeder Tages- und Nachtzeit umher, betrunken oder auf dem Weg dahin, während Bordellwirtinnen Verlockungen riefen und Wegelagerer ihnen in den Gassen auflauerten. Heute Nacht jedoch war dieses endlose Spiel in die Häuser zurückgedrängt worden. Der Schein von Feuer durch die Fenster der Bordelle war begleitet von Fetzen zotiger Lieder und ließ darauf schließen, dass die Fröhlichkeit dort weiterging, aber die Straße selbst war verlassen.
    Der Schlupfwinkel, der für gewöhnlich auffiel wie eine jung fräuliche Tante bei einer feucht-fröhlichen Feier, war heute Nac ht einfach ein weiteres Haus, das gegen den Sturm verbarrikadiert war. Seine Fenster waren mit verschnörkelten Eisengittern gesichert, und die Ranken der Rosen, vergiftet vom Salzwasser, die sich kraftlos an das Spalier über seiner Tür klammerten, deuteten auf eine gewisse Vornehmheit hin oder zumindest auf den Versuch von Vornehmheit in einer Umgebung, die sich solchen Tugenden gegenüber völlig unversöhnlich zeigte.
    Die Tür führte in ein modrig riechendes Wohnzimmer voller Katzen. Duftkerzen standen auf den Tischen und in den Nischen zwischen den Fenstern, fügten der stickigen Luft eine klebrige Süße hinzu und spendeten gerade genug Licht, dass die beiden Menschen zu erkennen waren, die auf sie warteten: Kelland, der erfolglos versuchte, Katzenhaare von seiner Hose zu lesen, und eine ältere Dame mit glattem Haar, die flink in dem spärlichen Licht strickte. Eine fette alte Katze räkelte sich auf dem Schoß der Frau und zuckte im Takt mit dem Geklapper ihrer Nadel mit den Ohren, ohne ein Auge zu öffnen. Eine andere saß auf der Rückenlehne ihres Stuhls, und eine dritte strich endlos um Kellands Stiefel herum.
    »Gemütlich.« Bitharn klopfte ein Büschel Katzenhaar von einem Sessel und verzog dann das Gesicht, als es

Weitere Kostenlose Bücher