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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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weitere verdammte Seele opferte, würde schwächer und flüchtiger sein als dieser eine. Die Magie würde antworten – welcher Gott oder Dämon seine Geschenke auch angenommen hatte, er war an die Gesetze der Opferung gebunden und musste seine Gebete beantworten, wenn er mit Blut bezahlte –, aber die Reaktion würde vielleicht zu schwach oder zu missgestaltet sein, um ihm etwas zu nutzen.
    Der Betrunkene murmelte vor sich hin. Verwirrt. Er verstand noch nicht, wo er war oder warum. Schon bald würde er verstehen.
    Corban griff nach seinem Messer, sammelte seine abgenutzten Klumpen Kohle und Kreide ein und machte sich ans Werk.
    Als es vorüber war, ging er auf die Leiter zu. Die Hunde beobachteten ihn ohne Neugier. Sie mussten sich um ihr eigenes Ritual kümmern. Sie bildeten um den blutverschmierten Trinker einen geschlossenen Kreis und warteten darauf, dass er sich regte. Beim ersten Anzeichen seines Erwachens kamen sie näher und leckten seine Wunden sauber wie Muttertiere, die den Schleim nach der Geburt von einem monströsen, zweibeinigen Welpen ableckten.
    Corban eilte an ihnen vorbei. Er hatte den Ritus der Hunde schon einmal mit angesehen und war dadurch zutiefst verstört gewesen – nicht nur wegen dessen hässlichen Parodie auf eine Geburt, sondern wegen der unnatürlichen Einigkeit der Tiere. Die Intelligenz, die sie leitete, war nicht ihre eigene. Ein einziger Wille leuchtete in ihren Augen, und der flößte Corban Angst ein. Er hatte diesen Willen dort eingepflanzt.
    Aber dieser Wille war für den Moment abgelenkt … Und dadurch bekam Corban seine Chance.
    Das Tor aus Knochen stand stumm hinter der Leiter des Kellers, eingerahmt von einem Kranz grellweißer Hände. Allein die Stille ängstigte ihn. Kein polierter Stein war jemals so leblos. Onyx oder Obsidian trübten sich, wenn man sie anhauchte, die Spiegelbilder darin veränderten sich, wenn die Welt um sie herum sich bewegte. Selbst eine sternenlose Nacht war weniger undurchdringlich als die Dunkelheit dieses Tores, denn der Himmel war geschmückt mit Wolken und Mond und dem Bewusstsein, wie fern es auch sein mochte, dass unter ihm lebende Dinge wandelten, sangen und bluteten.
    Das Tor verweigerte solche Möglichkeiten. Corbans Geist geriet unter der Endgültigkeit seines Blickes ins Wanken.
    Hier war der Ort, von dem die Verdammnis Duradh Mals gekommen war. Er war ein Narr gewesen, ihr ein Fenster zu geben, durch das sie entkommen konnte – aber, so dachte er, dieses Fenster konnte geschlossen werden.
    Corban ergriff einen der fleischlosen Arme. Eine saugende Kälte strich über seine Finger: Ein unwirklicher Wind zog ihn in den Abgrund. Schnell, bevor Verstand und Mut ihn verlassen konnten, riss er die Knochen von der Wand.
    Der Arm löste sich zusammen mit platzendem Mörtel. Die klaffende Leere des Tors verschwand wie eine aufgestochene Blase und ließ ein scharf gezacktes Loch in der Wand zurück. Erde befand sich auf der anderen Seite. Bloß Erde. Bevor Corban seinen Seufzer der Erleichterung unterdrücken konnte, traf ihn etwas wild knurrend von hinten und warf ihn zu Boden.
    Hunde. Die Hunde waren über ihm. Schnappende Reißzähne, schwere Pfoten, ein Wirbel ranzig riechenden Fells. Eine Klaue spaltete ihm die Wange, als ein Mastiff über sein Gesicht hinwegtrampelte. Ein Schoßhund mit Schmetterlingsohren grub die Zähne in Corbans Fuß, bohrte sich durch seinen verrotteten Stiefel und biss ihm die Zehen ab.
    Aber sie kamen zu spät. Das Tor war zerstört, die Arme der Magie beraubt, die es ihnen ermöglicht hatte, sich an der Wand festzuhalten. Wieder in unbewegliche Knochen verwandelt, fielen sie herab wie leere Zikadenhüllen von Bäumen.
    Er hatte gewonnen. Das Tor war verschwunden. Es war verschwunden … Doch der Dämon, der ihn ritt, war zurückgeblieben. Corban schloss die Augen und lachte und weinte, während die Hunde ihn zerrissen.

26
    An dem Abend, als Bitharn sie holen kam, wälzte sich ein Unwetter vom Meer herein, löschte den Mond und tauchte die Stadt in regendurchweichte Düsternis. Um Mitternacht hatte es sich noch nicht gelegt. Asharre lag auf ihrer Pritsche und sah hinaus auf eine Stadt, die unter einem kalten, nassen, grimmigen Himmel erschauerte. Selbst die Himmelsnadel wirkte bleich unter diesen bleiernen Wolken.
    Sie hatte nicht geschlafen. Eine seltsame Wachsamkeit hatte sie seit Sonnenuntergang erfüllt. Die Sigrir spürte jeden Lufthauch, jeden Faden in den rauen Wolldecken auf ihrer Haut. Es war dieser

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