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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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Erinnerung behalten zu werden. Was die Frage angeht, warum es hier ist und nicht in einem verborgenen Tempel … Die Speerbrücke ist eine Zurschaustellung von Kraft: Seht unsere Stärke und erzittert. Es wäre eine machtvolle Warnung an jeden gewesen, der auf die Idee gekommen wäre, Ang’duradhs Macht infrage zu stellen.«
    »So mächtig nun auch wieder nicht«, meinte Heradion. »Einige haben sie herausgefordert. Und gesiegt.«
    Asharre kicherte bitter. »Und du willst das herausfordern. Wahnsinn.«
    Falcien berührte den Anhänger mit dem Sonnenzeichen, der über seinem gelben Umhang hing. »Glaube. Nicht Wahnsinn.«
    Sie schüttelte den Kopf, widersprach jedoch nicht. Sie hatten lange genug verweilt. Gals hatte ihren Wagen gewendet, sodass er auf der gegabelten Straße, die am Torhaus vorbeiführte, nach Westen fahren konnte. Die meisten anderen hatten sich bereits in Bewegung gesetzt. Asharre bestieg den Kutschsitz und wartete auf Heradion. »Glaube bedeutet nicht, dass du siegen wirst.«
    »Nein. Er bedeutet nur, dass ich es versuchen muss.« Falcien strich abermals voller Ehrfurcht über seinen Anhänger und ging zu seinem eigenen Wagen.
    Der Nachmittag zog sich in die Länge, grau und düster. Asharre war erschrocken darüber, dass es noch immer derselbe Tag war; nach dem, was sie erduldet hatte, hätten Wochen vergangen sein müssen. Jahre vielleicht. Aber die Welt zeigte sich gleichgültig gegenüber ihrem inneren Aufruhr, und obwohl sie auf der Speerbrücke einen großen Teil des Tages verloren hatten, war es immer noch hell genug für die Weiterfahrt.
    Die Wagen rollten die kahle Steinstraße hinunter. Schnee bestäubte den Basalt um sie herum und rieselte in eisigen Wolken herab, wann immer der Wind sich drehte. Von Ang’duradh war wenig zu sehen, abgesehen von einem gelegentlichen Blick auf das obsidianfarben glitzernde Scherbenfeld zwischen den felsigen Höhen, und Asharre war darum dankbar. Vom Werk der Baoziten hatte sie für ein ganzes Leben genug gesehen.
    Rasch senkte sich die Abenddämmerung herab. Es gab keinen Sonnenuntergang, kein blaues Zwielicht, nur ein allmähliches Abebben des Lichtes. Die Ochsen, die sich in ihren Gespannen abmühten, wurden zu massigen, sich bewegenden Schatten, sichtbar nur ein gekrümmtes Horn oder ein kantiges Schulterblatt. Die Wagenlenker zündeten Laternen an, die sie an kurze Stöcke hängten, sodass gelbes Licht den Berg hinunterfiel.
    »Wir werden bald haltmachen«, sagte Colison während einer seiner Überprüfungen der Karawane. »Auf dieser Seite gibt es einen weiteren Rastplatz. Es ist nicht mehr weit. Wir werden dor t unsere Zelte im Windschatten aufstellen können, und Laedys unterhält in der Nähe eine Berghütte. Keine Betten, aber sie hat vielleicht heiße Brühe für uns, und wir werden die jüngsten Neuigkeiten aus der Stadt zu hören bekommen. Laedys tratscht liebend gern.« Er gab einem der Ochsen voller Zuneigung einen Klaps und ging an der Karawane entlang. »Denkt daran, dass Ihr nicht von dem Wasser trinkt, bevor es geprüft wurde, und lasst Eure Tiere nicht grasen. Wir wissen nicht, wie weit sich das Gift ausgebreitet hat.«
    Als er fort war, trotteten sie schweigend weiter. Dann fragte Heradion: »Was habt Ihr gesehen?«
    Sie brauchte nicht zu fragen, was er meinte. »Tod.« Asharre verspürte nicht den Wunsch, darüber zu reden, aber sie wusste, dass es für den Jungen notwendig war, daher fügte sie die erwartete Frage hinzu. »Und du?«
    »Das Gleiche. Hundert verschiedene Geschichten, hundert verschiedene Leben, aber sie endeten alle auf die gleiche Weise. Tod. Tod und Entweihung. Sie haben niemals einfach nur getötet, wenn sie ihre Opfer zuvor brechen konnten.« Er verstummte. Das Klappern der Ochsenhufe war besänftigend monoton. »Warum hängt jemand einem solchen Glauben an?«
    Asharre zuckte die Achseln, bevor ihr einfiel, dass er die Geste nicht sehen konnte. »Ich weiß es nicht. Frag Evenna oder Falcien. Sie studieren die Seele.«
    »Das werde ich tun. Ich wollte auch Euch fragen. Einige Leute sagen, die Baoziten seien nicht weit entfernt von Wildblütern.«
    »Vielleicht.« Sie dachte an die Wut, die ihre Erinnerungen auf der Speerbrücke erfüllt hatte – die Blutgier, das Ergötzen an Gewalt. Es hatte alles andere verzehrt. In ihren Visionen hatte sie Echos dieser Wut und schreckliche Freude auf den Gesichtern ihrer Feinde gesehen. »Sie sind in der Schlacht nicht so verschieden. Wer sie sind, wenn sie nicht kämpfen –

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