Schwarzkittel
meine Tasse.
»Können wir jetzt mit der Besprechung anfangen, Reiner? Beziehungsweise zum zweiten Mal beginnen?«
Ich überhörte die spitze Bemerkung und nickte wohlwollend.
Jutta nahm den Stapel Blätter, der vor ihr lag, an sich: »Im Fall Dipper haben wir das Umfeld näher beleuchtet. Zuerst zur unehelichen Tochter von Doktor Dipper. Der vermeintliche Vater weiß nach Angaben der Mutter nichts von der Sache. Sie hat uns richtiggehend angefleht, ihren kleinen Seitensprung nicht an die große Glocke zu hängen. Das Verhältnis mit Dipper würde inzwischen sowieso längst der Vergangenheit angehören. Ihren Mann konnten wir nicht vernehmen, er ist seit letzter Woche auf Dienstreise in Portugal. Er ist übrigens wegen Rohheitsdelikten vorbestraft, der letzte Eintrag ist jedoch schon acht Jahre alt. Ich denke, wir können es verantworten, die Vernehmung im Interesse des Kindes noch etwas hinauszuzögern. Irgendwelche Einwände eurerseits?«
Nachdem wir alle stumm genickt hatten, fuhr sie fort.
»Den Nachbarn der Dippers, Jürgen Grötzen, haben wir ebenso befragt. Er scheint harmlos zu sein. Körperlich dürfte er kaum in der Lage gewesen sein, den Kinderarzt zu töten. Und einen Auftragskiller zu engagieren passt nicht in das gewonnene Bild, dafür ist er einfach nicht der Typ. Das Jugendamt hat die Anzeige von Karlheinz Dipper wegen Kindesmisshandlung übrigens überprüft und kam zu dem Ergebnis, sie sei unbegründet. Die fremden Kinder sollen bei Frau Grötzen bestens versorgt sein. Grötzen selbst sagte uns, dass die Feindlichkeiten für ihn zu einer Art Passion geworden sind. Jeder versuchte, den anderen mit Gemeinheiten zu übertrumpfen. Die Anzeige schien ein trauriger Höhepunkt des Machtkampfes zwischen zwei sturen Streithähnen gewesen zu sein. Wir lassen die Sache vorerst auf sich beruhen, werden aber vorsichtshalber noch die Eltern der Kinder befragen, die bei Grötzens versorgt wurden.«
Juttas Monolog war für mich etwas unbefriedigend. Ich suchte ein Motiv außerhalb der Pseudokruppgeschichte, aber alle sonstigen Spuren schienen sich zu verflüchtigen. »Was ist mit diesem Hagen? Kann der damit was zu tun haben? Oder zumindest mehr wissen, als er zugegeben hat?«
Jutta nickte. »Auf den Gedanken sind wir auch gekommen. Jürgen hat ihn gestern bekanntlich nicht finden können. Gerhard wird ihn deshalb nach der Sitzung aufsuchen. Es könnte gut sein, dass Hagen den Täter gesehen hat.«
»Du kannst gerne mitkommen, Reiner«, bot mir Gerhard an. »Jedenfalls dann, wenn du im ›Heiligen Leo‹ abkömmlich bist.«
»Das mach ich doch glatt, Gerhard. Habt ihr schon den komischen Esoterikversand unter die Lupe genommen?«
»Was für einen Esoterikversand?«
In diesem Moment fiel mir ein, dass meine Kollegen von Overaths noch gar nichts wussten. Ausführlich berichtete ich ihnen, was sich gestern in Dannstadt abgespielt hatte. Inklusive dem unerwarteten Wiedersehen mit Elli Dipper, Doktor Metzger und dem Treffen von Doktor Overath im ›Heiligen Leo‹. Becker verschwieg ich absichtlich in meinen Ausführungen.
»Soso, Quasimodo ist also wieder im Rennen«, stellte Jürgen mit ernster Miene fest. »Der hat doch überall seine Finger im Spiel.«
Wir wussten natürlich, dass er mit ›Quasimodo‹ Dok tor Matthias Metzger, den bizarren Arzt mit Faible für Notarzteinsätze meinte.
»Ich glaube nicht, dass wir mit Metzger einen Verdächtigen haben«, erwiderte ich. »Das wäre ein wenig zu weit hergeholt. Außerdem ist er nur ein Verwandter der Overaths.«
»Lassen wir unseren Glöckner erst mal außen vor«, empfahl Jutta. »Wenn sich weitere Verdachtsmomente ergeben sollten, können wir unsere Nachforschungen in dieser Richtung immer noch intensivieren.«
»Vielleicht finden wir endlich heraus, wie er es schafft, ohne Zulassung diese Notarzteinsätze fahren zu dürfen«, bohrte Jürgen nach.
»Ich will das gar nicht so genau wissen«, unterbrach ich ihn. »Jutta, gibts schon was über Sebastian Windeisen?«
»Reiner, ich habe zwar rote Haare, doch Hexereien und Wunder dauern selbst bei mir eine Weile. Uns liegen bisher keine Hinweise vor, was er seit gestern Abend bis zum Zeitpunkt seines Todes heute Morgen machte. Frauke Hohlmann war vermutlich die letzte Person, die ihn lebend gesehen hat.«
»Das Telefonat mit Overath sollten wir überprüfen«, bemerkte ich.
»Das werden wir natürlich gleich tun, das haben wir doch eben erst von dir erfahren, du Schlaumeier.«
»Dafür habt ihr
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