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Schwarzkittel

Schwarzkittel

Titel: Schwarzkittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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in meinen Wagen ein mit dem Ziel, einfach mal in Ruhe dazusitzen und nachdenken zu können. Dummerweise fuhren in diesem Moment meine beiden vom Pech verfolgten Kollegen davon. Da alle anderen Einsatzfahrzeuge ebenfalls schon längst wieder zurückgekehrt waren, stand ich allein vor dem Klinikgebäude. Das wäre normalerweise nicht weiter schlimm, wenn da nicht diese Horde sich langweilender Raucher stehen würde. Ich startete also meinen Dienstwagen und fuhr in Richtung Schifferstadt. Der Vormittag neigte sich dem Ende zu. Mein Handy wollte ich noch aufladen und bei meinen Freunden in Rheingönheim vorbeifahren. Na ja, nach der Teamsitzung würde dafür genügend Zeit sein.
    Das Erste, was mir an diesem Tag in der Dienststelle auffiel, war ein neues Gerät, das sich neben unserem bunten Potpourri an Getränkeautomaten eingereiht hatte. Wie selbst ich auf Anhieb erkannte, handelte es sich dabei um eine Mikrowelle. Mit diesem Metier des Kochens kannte ich mich einigermaßen aus. Ich fragte einen zufällig anwesenden, mir unbekannten Kollegen, wann der neue Whirlpool geliefert werden würde, erntete aber nur fragende Blicke. Im Zusammenhang mit dem neuen Gerät kam in mir eine alte Erinnerung hoch. Vor ungefähr 30 Jahren, ich war gerade heranwachsender Teenager, hatte mich eine Tante angerufen und gefragt, ob ich mir mal ihren neuen Mikrowellenherd anschauen könnte. Er würde nämlich nicht funktionieren. Bekanntlich waren solche Geräte in den 70er-Jahren längst nicht in jedem Haushalt zu finden. Es gab viele Ängste und Befürchtungen wegen  der neuen Art des Erwärmens von Speisen. Krebs und Unfruchtbarkeit zählten zu den propagierten Nebenwirkungen der Mikrowellen. Ich selbst hatte seinerzeit noch keine Berührungen mit dieser damals neuen technischen Errungenschaft gehabt. Ich hatte darüber hinaus zu anderen Formen der Essenszubereitung bis dahin keinen Zugang. Genauso wie heute auch, von der lieb gewonnenen Mikrowelle mal abgesehen. Und selbst damit hatte ich schon das eine oder andere Feuerwerk inklusive kleinerer Explosionen zustande gebracht.
    Ich war bei meiner Tante angekommen und sie zeigte mir ihr nicht funktionierendes Gerät. Sie hatte einen vorbereiteten ›Strammen Max‹ auf einen Teller gelegt, diesen in die Mikrowelle gestellt und die Starttaste gedrückt. Nichts war passiert. Ich schaute, ob der Stecker in der Dose war und ob vielleicht die Sicherung herausgefallen war. Nach kurzem überlegen verlangte ich die Bedienungsanleitung. Die Antwort hatte mich damals bestürzt. Nach vielen Jahren wusste ich aber inzwischen, dass dies typisch für meine Tante war, nie las sie Bedienungsanleitungen, alles wurde durch Versuch und Irrtum ausprobiert. Meistens schien das Konzept aufzugehen, bei der Mikrowelle hatte es jedoch versagt. Die Tante hatte die Anleitung schließlich im Altpapiersack gefunden. Wenige Blicke in das dünne Heftchen hatten genügt. Zur Verwunderung meiner Tante hatte ich die Tür des Gerätes geschlossen und auf den Startknopf gedrückt. Und siehe da, die Mikrowelle funktionierte einwandfrei. 30 Jahre später braucht man niemandem mehr zu erklären, dass man zum Gebrauch der Mikrowelle die Tür schließen muss.
    Ich platzte in die laufende Teamsitzung.
    »Du lebst?«, mokierte sich Jutta, als ich zur Tür reinkam. »Wir wollten schon die Suchmannschaft der Bereitschaftspolizei anrufen. Wo hast du nur gesteckt?«
    »Wo soll ich gesteckt haben? Ich war die ganze Zeit im ›Heiligen Leo‹ und habe gearbeitet.« Verärgert schenkte ich mir eine Tasse Kaffee ein. Schon an dem tiefen Schwarz erkannte ich die Marke Sekundentod. Gerhard war also wieder mit dem Kaffeekochen an der Reihe gewesen. »Ist das alles, was wir an Milch haben?«, fragte ich mit Blick auf die kleinen in Plastik gefüllten Portionen. »Das sind wohl homöopathische Dosen.«
    »Wenn du damit nicht klarkommst, kannst du dir deinen Kaffee einfach aus unserem neuen Automaten holen. Tut mir leid, die Tütenmilch ist leer«, erklärte Gerhard.
    Ich setzte mich und versuchte, einen der eingeschweißten Milchtropfen zu öffnen. Wider Erwarten landete der Tropfen nicht in meinem Gesicht sondern nur auf dem Tisch. Meine Kollegen beobachteten mich wortlos, bis ich das Zeug mit der Handkante vom Tisch gewischt hatte. Damit war klar, dass ich den Sekundentod mal wieder schwarz trinken musste. Doch Jutta schien ihren sozialen Tag zu haben. Sie präsentierte mir zwei geöffnete Portionspackungen. Dankend füllte ich das Zeug in

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