Schwarzlicht (German Edition)
angeblich mit Hilfe betuchter Freunde aufgebracht, um ein Forschungsprojekt an der Heinrich-Heine-Universität ins Leben zu rufen. Doktoranden des Instituts für Sozialwissenschaften sollten ab dem kommenden Semester Vorschläge entwickeln, wie man die Bürger an der Planung von Großprojekten beteiligen könne, um Proteste und Verzögerungen zu minimieren. Acht Millionen Euro für eine Amadeo-Hunziker-Stiftung – benannt nach dem Studenten, dem der Polizeieinsatz am Seestern das Leben gekostet hatte.
Vincent konnte es nicht fassen: Der Junge war keine zwölf Stunden tot, schon wurde ihm der Name geklaut. Er musste an den Anlass für die Demonstration denken, an den Brand auf der Baustelle. Noch mehr Tote, drei Arbeiter. Zwanzig Euro hätte die Befüllung des Feuerlöschers gekostet, hundertdreißig eine feuerfeste Zeltplane. Stattdessen acht Millionen für einen PR-Gag. Es war grotesk.
Neuankömmlinge drängten in den Saal des Gekko’s . Vincent erkannte Martina Simoniak, die Chefin der Oppositionspartei, umgeben von gut gelauntem Gefolge. Sieh an, Politprominenz. Vermutlich hatte die Frau eben noch eine Wahlkampfveranstaltung absolviert. Eine rote Nelke steckte am Revers ihrer Jacke.
«Sie kennen Frau Simoniak?», fragte Engel und überprüfte den Sitz seines Krawattenknotens.
«Aus dem Fernsehen.»
«Es wird ihr gefallen, dass Sie morgen sämtliche Büros des Ministerpräsidenten durchsuchen lassen.»
«Das steht noch nicht fest», antwortete Vincent. «Staatsanwalt Kilian muss erst noch seine Chefs fragen. Und da bin ich eher skeptisch.»
Engel kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. «Auch bei der Justiz weiß man, dass die neue Ministerpräsidentin Simoniak heißen wird, und man muss verdammt noch mal blind und taub wie unser Papst sein, um noch auf die CDU zu wetten.»
«Sie stehen nicht auf Schindhelms Seite?»
«Natürlich nicht.»
«Dann sorgen Sie dafür, dass ich zusätzliche Leute bekomme!»
«Geduld, Herr Veih. Nach der Wahl wird rasch ein anderer Wind wehen.»
Der Baulöwe trat wieder ans Mikrophon. Eine funktionstüchtige Stiftung benötige einen Beirat, der über ihre Arbeit wache. Dessen Vorsitz werde der Professor einnehmen, der eben den Scheck angenommen hätte. Als Planungsexperte sei ein Vorstandsmitglied der Osterkamp-Entwicklungsgesellschaft auserkoren. Der dritte Beirat heiße Benedikt Engel.
Vincent wunderte sich schon wieder.
«Wir freuen uns, den Leitenden Kriminaldirektor der hiesigen Polizeibehörde für unser Projekt gewonnen zu haben. Das Thema Sicherheit wird in Zukunft eine wachsende Rolle in unserer Gesellschaft spielen.»
Ein paar Leute klatschten. Engel neigte kurz den Kopf und winkte. Er zwinkerte Vincent zu, als seien sie Komplizen.
«Und last, but not least, die Vertreterin der politischen Vision. Für viele von uns steht sie wie keine Zweite für Tatkraft und Erneuerung: Martina Simoniak, wir freuen uns, dass Sie trotz Ihres engen Terminkalenders die Zeit gefunden haben, bei uns vorbeizuschauen!»
Am stärksten applaudierte Simoniaks Begleittross. Die Oppositionschefin gesellte sich zu Osterkamp und dem Professor, der noch immer die Scheckattrappe festhielt. Die anwesenden Medienvertreter drängten nach vorn. Vincent bemerkte die junge WDR-Reporterin vom Nachmittag. Sie stand bei einem Kameramann, der einen Stuhl erklommen hatte, um besser filmen zu können.
Martina Simoniak sprach ein paar Sätze ins Mikro, in denen es um Demokratie und Transparenz ging. Sie bezeichnete Osterkamps Spende als Paradebeispiel für das unverkrampfte Miteinander von Unternehmertum und universitärer Forschung. Der Baulöwe strahlte. Vincent staunte, wie gründlich sich Osterkamp nach allen Seiten absicherte.
Endlich waren die Reden gehalten, und die Häppchen wurden aufgetragen.
Engel raunte Vincent zu: «Kommen Sie, ich mache Sie mit der Frau bekannt, die vermutlich bald dieses Land regiert.»
Ihr Händedruck war kräftig, und aus der Nähe leuchteten ihre Augen so blau, dass Vincent überlegte, ob sie farbige Linsen trug. Das selbstbewusste Lächeln erinnerte ihn an eine Sozialarbeiterin, die ab und zu in der Bruchbude aufgekreuzt war, in der er als fünfzehnjähriger Ausreißer Unterschlupf gefunden hatte, gemeinsam mit der Clique von Punks, der auch Blümchen angehört hatte. Sie waren sich nie sicher gewesen, ob die Frau Hilfe bringen oder sie anzeigen würde.
«Vincent Veih, der neue Leiter des Kommissariats für Tötungsdelikte», stellte Engel ihn vor,
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