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Schwarzlicht (German Edition)

Schwarzlicht (German Edition)

Titel: Schwarzlicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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korrupt.
    Man tat nicht das, was man für richtig hielt. Man passte sich an. Kollegen achteten darauf, dass man nicht aus der Reihe tanzte. Vorgesetzte benutzten die Karriere als Mittel, um einem das Rückgrat zu brechen. Das Ministerium erfand den Polizeidienst alle paar Jahre neu, und als Beamter machte man jeden Schwachsinn mit.
    Korruption musste nicht bedeuten, sich von der Gegenseite schmieren zu lassen. Oder alle moralischen Maßstäbe über Bord zu werfen, wie es sein Großvater getan hatte. Sie begann im Kleinen, und das war es, was Vincent an schlechten Tagen ankotzte.
    Und selbst wenn man ihn in Ruhe seine Arbeit tun ließ, war der Alltag kein Zuckerschlecken. Er hatte mit Sadisten, Frauenschlägern, Dealern und Junkies zu tun, den Gestörten und Idioten. Und immer wieder mit all den Mördern und Totschlägern dieser Welt. Menschen, die ihre Partner umbrachten, ihre Eltern, ihre Kinder. Oder den Erstbesten, der ihnen zufällig über den Weg lief.
    Meine Kundschaft in diesem Laden, dachte Vincent, ist gierig und böse, abartig, grausam, gefühllos und verzweifelt – wie viel davon hat bereits auf mich abgefärbt?
    Und wenn er Ruhe finden wollte, eine Auszeit nahm, um abzuschalten, waren die freien Stunden viel zu kurz. Was war aus seiner Beziehung zu Nina geworden? Wen hatte er außer ihr zum Freund?
    Vielleicht war es höchste Zeit für einen Tapetenwechsel. Vincent spürte, wie sein Widerstand gegen Osterkamps Angebot bröckelte.
    Er trat ans Fenster und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
    Es klopfte.
    Die Tür wurde aufgerissen, Dominik stürmte herein und wedelte mit einer CD. «Das musst du dir anschauen!»
    «Was ist das?»
    «Wart’s ab.» Dominik fand den Schlitz des Laufwerks und schob die Disc hinein. «Komm schon, was stehst du da rum? Was ist los mit dir?»
    Vincent setzte sich auf den zweiten Stuhl. Dominik griff nach der Maus und klickte ein paarmal. Vincent staunte, wie ungebrochen der Eifer des Jungen war.
    Zürich. Das Widder-Hotel . Der Ministerpräsident und seine Referentin.
    Was Castorp wohl über ihre Vergangenheit gewusst hatte?
    Etwa die Hälfte der Fotos kannte Vincent bereits.
    «Gleich kommt’s», sagte Dominik.
    Der Ministerpräsident beim Verlassen seines dicken Audi, alleine. Die Bilder wirkten wie aus der Hüfte geschossen, zum Teil verwackelt. Castorp schien sich umzuschauen. Telefonierte mit seinem Handy. Betrat ein Gebäude mit alter Steinfassade.
    Ein Schild in Großaufnahme.
    «Banque Suisse Privée», sagte Dominik.
    «Ich kann lesen.»
    «Weiß man’s? Du hast gerade etwas abwesend gewirkt.»
    Drinnen: eine Halle mit Säulen. Castorp steuerte eine breite Treppe an, immer noch telefonierend. Ein breiter Gang, Wände aus Marmor. Castorp verschwand in einem Büro, noch ein Schild: Dr. Yann Affolter, Direktor .
    Hatte Emma Liebig mit verborgener Kamera geknipst, etwa aus einer präparierten Handtasche heraus? Auf jeden Fall war sie ein Risiko eingegangen. Mit einer Ermittlung gegen einen untreuen Ehemann hatten diese Fotos wirklich nichts zu tun. Wer mochte der Detektivin den Auftrag erteilt haben? Die SPD?
    Es folgten Außenaufnahmen. Emma Liebig ging nun auf Nummer sicher und hielt aus größerer Entfernung drauf. Ein Mann machte sich an Castorps Audi zu schaffen. Hellblaues Kurzarmhemd, Hose, Krawatte und Käppi in Dunkelblau.
    Stadtpolizei Zürich, die Ordnungsbuße.
    Castorp kam aus der Bank heraus, einen Karton unterm Arm. Ging um die Ecke und verschwand in einem Laden. Kehrte mit zwei Aktenkoffern zurück. Pflückte den Bußzettel von den Scheibenwischern seiner Limousine.
    «In den Koffern ist Geld», sagte Dominik, «das zuvor auf der Bank lag.»
    «Und zwar richtig viel», bestätigte Vincent.
    Er berichtete dem jungen Kollegen von Dollingers Freundin. Mehr violett als gelb. Und vom Fund im Neandertal. Plötzlich lagen beide Koffer im Porsche, aber sie enthielten nur einen schäbigen Rest.
    «Und jetzt?», fragte Dominik.
    «Carmen Markowitz», antwortete Vincent. «Höchste Zeit, dass wir der Dame einheizen.»
    Sein Jagdfieber war wieder geweckt.

65

    Die Fußgängerampel an der Neusser Straße leuchtete rot, Vincent blickte zur Festung zurück. Die Sonne schien gegen das Fenster seines früheren Büros, in das jetzt Thilo Becker gezogen war. Die Jalousie war heruntergelassen und auf halber Strecke verklemmt, die Lamellen hingen schräg.
    «Vielleicht keine gute Idee, dass du mitkommst», sagte Vincent zu Dominik. «Könnte deiner Karriere

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