Schwarzlicht (German Edition)
schaden.»
«Den Vorgesetzten möchte ich erleben, der uns rügen wird, wenn wir den Fall Castorp endgültig geklärt haben.»
«Die kriegen auch das fertig, glaub’s mir.»
Schweigend gingen sie hinüber zum Stadttor. Sie wiesen sich aus und nahmen den Aufzug in die elfte Etage.
Die Tür zum Vorzimmer des Ministerpräsidenten stand auf. Die hagere Chefsekretärin trug Kopfhörer und tippte etwas in die Tastatur ihres PC. Vincent fragte sich, ob Castorp den Text noch diktiert hatte.
Der zweite Schreibtisch war leer. Vincent pochte gegen den Türrahmen. Die Frau nahm den Kopfhörer ab.
«Guten Tag», sagte Dominik.
«Wir würden gern noch einmal mit Frau Markowitz sprechen», fügte Vincent hinzu.
«Da kommen Sie zu spät. Carmen hatte gestern ihren letzten Tag in der Staatskanzlei.»
«Wo können wir sie treffen? In ihrer Wohnung?»
«Möglich.» Die Chefsekretärin suchte die Adresse heraus.
«Hat Frau Markowitz gekündigt, oder ist ihr gekündigt worden?», fragte Vincent.
«Das Kanzleramt in Berlin hat sie abgeworben, das ging ratzfatz. Die haben ihr ein Apartment in der Hauptstadt besorgt mit allem Pipapo. Sie fliegt heute noch nach Berlin, warten Sie …» Die Sekretärin bewegte die Maus und studierte ihren Monitor. «Hier hab ich’s: LH 2742, Abflugzeit um 19.10 Uhr. Ich hab ihr noch das Ticket gebucht.»
Vincent bereute es, dass sie nicht das Auto zum Stadttor genommen hatten. Jetzt benötigten sie es ohnehin.
Sie eilten zum Aufzug.
«Vor sechs muss sie nicht am Flughafen sein», sagte Vincent zu seinem jungen Kollegen. «Ich wette zehn zu eins, dass wir sie zu Hause antreffen.»
An ihrer Stelle würde ich jede Minute zum Packen nutzen, dachte er.
66
Vincent ließ den Motor an. Mehrere Mannschaftswagen fuhren auf den Parkplatz, Bereitschaftspolizei. Vincent musste warten, um sie vorbeizulassen. Ihm fiel ein, dass ein Schweigemarsch wegen des Todes von Amadeo Hunziker angekündigt war.
Das Handy. Auf dem Display die Durchwahl des Geschäftszimmers. Nora.
«Vincent, hast du eine Minute?»
«Für dich immer.»
«Thilo meint, du hättest mit dem Fall nichts mehr zu tun. Wie kommt’s, dass ich gerade deshalb das Gefühl habe, ich sollte dich auf dem Laufenden halten?»
«Weil du ein Schatz bist.»
«Das hast du schön gesagt.»
«Schieß los, Nora.»
«Aus den beschlagnahmten Unterlagen geht hervor, wer die Detektivin beauftragt hat, den Ministerpräsidenten zu beschatten. Und jetzt halt dich fest.»
«Nicht die Sozis?»
«Nein.»
«Wer dann?»
«Unser geschätzter Innenminister.»
«Ohne Scheiß?»
«Driesbach persönlich. Aber von mir hast du das nicht. Und jetzt sag das bitte noch einmal mit dem Schatz.»
Vincent bedankte sich und steckte das Handy ein.
War Driesbach als Anstifter etwa auch für die Abhöraktion gegen die Opposition verantwortlich? Womöglich um die Tat Castorp in die Schuhe zu schieben? Bislang war Vincent davon ausgegangen, dass der Ministerpräsident beides verwanzt hatte, seine Villa und die SPD-Büros im Landtag. Aber einmal hatte es sich um Minikameras gehandelt, das andere Mal nur um Mikros.
Die Ausfahrt war endlich frei, Vincent gab Gas.
«Ist das nicht unser Blondschopf?» Dominik drehte das Radio lauter. Tatsächlich sprach da gerade Thilo Becker.
… dass Michael Dollinger als Täter im Fall Castorp gelten muss. Er hat sich gestern der Festnahme durch Flucht entzogen und im Lauf der Nacht mit einer Schusswaffe das Leben genommen.
«Ich wüsste gern, wessen Pistole das war», sagte Vincent. «Eine schicke, kleine Beretta.»
«Nicht die Ceska des Ministerpräsidenten?»
«Die lag im Handschuhfach.»
Die Beute, einen Betrag im mittleren fünfstelligen Euro-Bereich, hatte er bei sich.
Wie viel genau?
«Live aus der Pressekonferenz», stellte Vincent fest.
Zweiundfünfzigtausendvierhundert. Das entspricht nach unseren Erkenntnissen in etwa der Summe, die Walter Castorp am letzten Freitag bei einer Züricher Bank abgehoben hat.
«Hört, hört. Der Blondschopf und seine Erkenntnisse.»
Stimmt es, dass es auf dem Firmengelände im Neandertal Reifenspuren gab, die darauf hindeuten, dass sich Mike Dollinger mit jemandem getroffen hat?
Das war Saskia – ihre Stimme ging Vincent unter die Haut.
Auf einem Parkplatz finden Sie jede Menge Reifenspuren. Fakt ist, Dollinger war Rechtshänder, und an seiner rechten Hand konnten wir Schmauchspuren feststellen, wie sie im Fall einer Selbsttötung zu erwarten sind.
«Bullshit!» Vincent schlug auf das
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