Schwarzlicht (German Edition)
gebunden, kapierst du das nicht?»
Vincent schüttelte den Kopf. Was sollte er erwidern?
Sein Handy. Er drehte sich weg, ging ein paar Schritte und nahm das Gespräch an.
«Schon zu Mittag gegessen?»
«Mit wem spreche ich?»
«Hartmut Osterkamp. Erinnern Sie sich an unser Gespräch von vorgestern Abend? Es wird Zeit, dass ich mein Angebot konkretisiere. Jetzt gleich? Ich hole Sie ab!»
Vincent hätte gern geantwortet, dass ihm dazu die Zeit fehle. Doch das wäre gelogen gewesen.
63
Der Mercedes stand gegenüber der Festung, Osterkamp lehnte daran. Vincent überquerte die Straße.
Der Baulöwe hielt ihm die hintere Tür auf. Beim Einsteigen bemerkte Vincent, dass bereits jemand auf der Rückbank saß.
Die Frau sah gut aus. Trug einfache Jeans und ein graues Sakko über einem weißen, seidigen T-Shirt. Dunkles, schulterlanges Haar.
«Hallo», sagte sie und verschränkte die Arme, ohne die Hände zu verstecken.
Osterkamp ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder. Während der Fahrer den Wagen startete, wandte sich der Unternehmer nach hinten. «Meine Tochter Pia, mein ganzer Stolz. Sie hat in Oxford ihren Master gemacht und wird bei Osterkamp Firm & Secure als CEO einsteigen.»
«Bedeutet?», wollte Vincent wissen.
«Sie hat den Hut auf. Aber Sie beide werden sich prima verstehen, da ich bin mir sicher.»
«Papa will mich verkuppeln. Hören Sie nicht auf ihn, Herr Veih. Dass eine Dreißigjährige auch unverheiratet sein kann, will nicht in seinen reaktionären Schädel passen.»
Osterkamp lachte ein wenig zu dröhnend.
Die Tochter fragte: «Sie tragen sich also mit dem Gedanken, sich beruflich zu ändern?»
«Ich fürchte, ich kann nur Bulle.»
«Hast du gehört, Papa?»
«Glaub mir, Pia, er ist der Richtige. Ein High Potential mit allen Skills, die wir brauchen.»
«Was suchen Sie denn?», fragte Vincent. «Einen Türsteher für das neue Einkaufszentrum am Seestern? Einen Kerl mit breitem Kreuz, der Ihren Kunden die Bettler und Taschendiebe vom Leib hält?»
Der Mercedes hielt vor einem Restaurant. Ein Stück Kunstrasen vor dem Eingang, flankiert von Palmen in Kübeln. Ein Kellner hielt bereits die Eingangstür auf.
«Hast du es ihm noch nicht gesagt, Papa?»
Osterkamp blickte zum Wagenhimmel, als lese er dort einen Text ab. « Osterkamp Firm & Secure wird das Sicherheitskonzept für siebenundzwanzig Shopping-Malls in elf Ländern Europas erarbeiten, sämtliche diesbezüglichen Services organisieren und überwachen. Was Ihre Behörde am Montag auf unserer Baustelle abgeliefert hat, war der Super-GAU. Wir werden dafür sorgen, dass sich so etwas niemals wiederholt.»
«Und das ist nur die erste Phase», ergänzte die Tochter.
«In Phase zwo werden wir unsere Expertise dem gesamten Markt als Dienstleister offerieren. In zwei Jahren steht OF&S unter den Top drei der Branche, zumindest in Europa. Und keine andere Branche wird so gigantisch boomen. Wo dem Staat die Mittel ausgehen, für Sicherheit zu sorgen, springen wir ein.»
Vincent unterdrückte ein Gähnen. «Ach ja?»
«Ich biete Ihnen den Posten des COO. Bedeutet: Chef des operativen Geschäfts.»
Pia Osterkamp musterte Vincent. «Na, kriegen Sie’s jetzt doch mit der Angst?»
Der Kellner nahm Vincent die Lederjacke ab. Es ging in ein Nebenzimmer, wo die Tische zu einer längeren Tafel zusammengeschoben waren. Sechs oder sieben Managertypen standen auf und applaudierten, als Osterkamp und seine Tochter den Raum betraten.
Der Baulöwe breitete die Arme aus. «Ja, Leute, ich hatte heute Morgen Airtime beim Kanzleramtsminister!»
Noch mehr Beifall und Gejohle.
«Beruhigt euch, Leute. First of all, das ist Vincent Veih, seid nett zu ihm, ich habe ihm eine Leadership-Aufgabe angetragen, die er hoffentlich nicht ablehnen wird.»
Osterkamp stellte reihum jeden der Anzugträger mit Namen und Funktion vor, und Vincent wusste, dass er alles im nächsten Moment wieder vergessen würde.
Der Bauunternehmer glich einem Fürsten, um den sich die Hofschranzen drängten. Die Männer rissen Witze über Themen, von denen Vincent nichts verstand. Selten hatte er sich so sehr als Außenseiter gefühlt.
Eine Suppe wurde serviert, die vor allem aus püriertem Brokkoli und Brühe bestand. Osterkamp schlürfte beim Löffeln. Pia Osterkamp saß am anderen Ende und tunkte Brot in Olivenöl. Vincent schien es, als wende sie die ganze Zeit ihren Blick nicht von ihm.
«Und wie war’s in Berlin?», fragte einer der Anzugträger.
«Wir nehmen Pace auf»,
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