- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
von Spinnern zu.
Meph löste seinen Gurt und wollte gerade aufstehen, als wie auf Kommando die »Bitte Anschnallen«-Zeichen aufleuchteten. Der Pilot sagte etwas von Turbulenzen durch. Ernüchtert legte Meph den Gurt wieder an.
»Die wollen doch nur, dass wir nicht meutern«, überlegte der Vielflieger.
Meph zuckte mit den Achseln. »Oder es sind echte Turbulenzen. Ich würde ja das Wetter triggern, aber so …«
Der andere klappte sein Pad zu und steckte es ein. »Wissen Sie, ohne Netz ist es auch ganz nett. Vor nicht allzu langer Zeit bedeutete ein Langstreckenflug acht Stunden Zeit, um einen fremden Menschen kennenzulernen. Wie heißen Sie?«
Anstatt zu antworten, rief Meph das Menü von Compadre auf. Zum Glück lag das Programm noch im Arbeitsspeicher, weil Davids Thought-Police -Software damit die Kommunikation zwischen den Teilnehmern abwickelte. Meph führte einen ungezielten Scan aus. Das Ergebnis war eine Wolke aus Hunderten von Punkten, die alle Pads in Funkreichweite seines eGalaxy darstellten. Der Vielflieger sagte noch etwas, dann gab er es auf.
Die nächste Viertelstunde verbrachte Meph damit, die georteten Pads der Reihe nach anzufunken. Nicht viele Benutzer waren unerfahren oder unvorsichtig genug, um die Anfrage nach einer Direktverbindung zu einem unbekannten Pad über den Fingersensor zu bestätigen, aber ein paar taten es doch. Mit jeder neuen Verbindung veränderte sich die Punktwolke, weil Mephs eGalaxy die Position der anderen Pads in Reichweite immer genauer bestimmen konnte. Doch das, was er gesucht hatte, fand er nicht; es gab keinen Empfang. Das Flugzeug war komplett vom Internet abgeschnitten. Meph schloss erschöpft die Augen. Ach, Mary …
Er schrak hoch, als neben ihm Stimmen laut wurden. Zwei Passagiere hatten eine Stewardess im Gang abgefangen und bestürmten sie mit Vorwürfen. »Jede Minute ohne Netz kostet mich zehntausend Euro.«
»Ihretwegen verpasse ich den Rest des Interviews.«
»Ich will den Bordtechniker sprechen, und zwar sofort!«
Ihr Lächeln war so starr, dass es schmerzen musste. »Ich versichere Ihnen, wir tun alles, was wir können, um die Störung zu beheben. Wenn Sie mich nun bitte …«
Sie wollte unter dem ausgestreckten Arm des einen Mannes hindurchtauchen, aber er hielt sie fest. »Nichts da. Seit zwanzig Minuten hören wir nichts als Ausflüchte. Wie lange wollen Sie uns noch hinhalten?«
»Au! Lassen Sie mich los oder …«
»Oder was?« Er schwenkte wütend sein nutzloses Pad. »Wir lassen uns nicht länger abspeisen!«
Von mehreren Seiten kam Applaus. Jemand rief: »Hört, hört!«
Die Stewardess sah sich Hilfe suchend um. Ihr Blick traf den von Meph. »Sie da. Bitte helfen Sie mir. Tun Sie doch etwas!«
Sämtliche Augenpaare in der Kabine richteten sich auf ihn. Meph spürte, wie er rot anlief, und das Kinn sank ihm auf die Brust.
Im nächsten Augenblick erfüllte das laute Fiepen einer Rückkopplung die Kabine. Viele Passagiere hielten sich die Ohren zu. Die Stewardess nutzte den Moment, um sich loszureißen und in die Galley zu flüchten.
»Meine Damen und Herren, hier spricht Ihr Flugkapitän. Wie Sie sicherlich gemerkt haben, ist der Internetempfang aufgrund einer technischen Störung im gesamten Flugzeug ausgefallen. Alle Bemühungen, das Problem zu beheben, sind bisher gescheitert. Als letzte Möglichkeit versucht unser Techniker derzeit, unsere Backup-Kabelstränge zu rekonfigurieren, um das Netz darüber umzuleiten. Bitte haben Sie noch einen Moment Geduld. In Kürze lassen wir Sie wissen, ob das Manöver Erfolg hat.« Die Durchsage endete mit dem erneuten Ping des Anschnallen-Zeichens.
Die rebellierenden Passagiere kehrten auf ihre Plätze zurück, wo sie warteten und dabei erwartungsvoll murmelten. Die Aussicht auf Netzzugang – das Abrakadabra des Informationszeitalters, dachte Meph, während er dasaß und versuchte, die Stewardess aus seinen Gedanken zu vertreiben. Aber ihren Blick, als sie begriffen hatte, dass er ihr nicht helfen würde, wurde er nicht los.
Eine Minute später gingen in der Kabine die Lichter aus.
Sie flogen mit einer Geschwindigkeit von fünfhundert Knoten die Stunde in 16.000 Fuß Höhe durch den großpakistanischen Luftraum, als der Funkspruch einging. »Sperber Eins und Zwo, climb drei vier zero, heading eins acht zero.«
»Wilco, verlassen eins sechs zero für drei vier zero, heading eins acht zero«, kam Grohdes Rückmeldung aus dem Funkgerät. Auch Hauptmann Marcos Brent bestätigte den Befehl.
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