- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Anstalten, etwas zu sagen. Schließlich drehte er sich um und ging los. Er fühlte sich elend, als hätte er eine wichtige Chance vertan.
Nach einigen Metern hörte er hinter sich Schritte. Erleichterung durchflutete ihn. Dennoch drehte er sich erst zu Rebekka um, als sie ihn erreicht hatte. »Was ist?«
»Wo willst du jetzt hin?«
»Keine Ahnung«, murmelte er. »Irgendwo untertauchen.«
»Du kommst doch keine Meile weit. Jeder Mensch in der Stadt kennt dein Gesicht.«
»Deswegen will ich mich ja verstecken.«
»Und wo? Westphals Leute werden jedes Rattenloch Berlins durchsuchen. Du kannst dir ja nicht mal was zu essen kaufen. Du wirst …«
»Du hast recht«, unterbrach er sie heftiger als nötig. »Ich habe kein Versteck. Ich habe keine Chance, sie kriegen mich sowieso. Aber das ist mir egal!«
»Wenn es egal ist, wozu läufst du dann weg?«
»Ich kooperiere nicht mehr! Schon vergessen? Ich werde den Trojaner tun und diesen Wichsern vom IKM die Mühe abnehmen, nach mir zu suchen. Freiwillig werde ich denen nicht mal meinen Nickname verraten.«
Rebekka sah sich erschrocken um, aber Meph war es egal, ob sein Ausbruch Aufmerksamkeit erregte. In Gedanken sah er sich Kruppstahl mit bloßen Händen das Leben aus dem Leib pressen. Die Intensität seiner Wut überraschte ihn selbst.
»Wenn du willst …« Sie zögerte.
»Ja?«
Sie rang sichtlich mit sich, und als sie weitersprach, schien sie es bereits zu bereuen. »Du kannst eine Nacht mit zu mir.«
»O Gott, danke. Du rettest mir das Leben. Danke!«, sprudelte es aus Meph heraus. Vor Erleichterung wurde ihm abermals schwindlig.
»Eine einzige Nacht, verstanden? Los jetzt. Wir müssen uns beeilen.«
Er hörte noch, wie Rebekka loslief, aber da lag er schon wieder mit dem Gesicht im Rinnstein.
Sie hätte ihn zurücklassen sollen.
Der Gedanke verfolgte sie auf dem ganzen langen Weg zu ihrer Wohnung. Als Mephs Knie unter ihm nachgaben, hätte sie einfach gehen sollen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Stattdessen hatte sie mit einer Haarnadel ein Fahrradschloss geknackt, den benommenen Meph auf den Gepäckträger gehievt und ihn durch eine Stadt gefahren, in der IKM und Polizei das Chaos immer weiter in den Griff bekamen. An jeder größeren Kreuzung, auf jeder Ausfallstraße blitzte Blaulicht. Straßensperren schossen aus dem Boden und zwangen Rebekka, ständig neue Umwege zu fahren. Ihrem Orientierungssinn und ihrer Erfahrung in unübersichtlichem Gelände hatten sie es zu verdanken, dass sie nicht angehalten wurden.
Als sie endlich die Einbahnstraßen von Pankow erreichte und wenig später in den Torbogen ihres Hauses einbog, war sie in Schweiß gebadet; vor Anstrengung, aber mehr noch aus Angst. Fluchthilfe, Komplizenschaft, Beihilfe zum Terrorismus – sie wollte gar nicht erst wissen, wie viele Jahre Gefängnis sie sich in der letzten Dreiviertelstunde eingehandelt hatte. Dabei wäre es ihr zu jedem Zeitpunkt ein Leichtes gewesen, Meph vom Rad zu stoßen und weiterzufahren. In einem Kampf gegen sie hätte er nicht den Hauch einer Chance gehabt. Und für einen Waschlappen wie ihn versetzten sie die ganze Stadt in den Ausnahmezustand?
Sie saß im Dunkeln in ihrer Küche und haderte mit sich. Das Letzte, was sie wollte, war Ärger mit dem IKM oder irgendwem anders. Trotzdem war Meph hier, der Ärger in Person, und ließ nebenan das Wasser laufen.
Irgendwann hörte sie ihn aus dem Bad kommen. Er tappte durch den Flur und fluchte leise, als er sich den Fuß an der Kommode stieß. Geschah ihm recht.
Einen Moment später sprang Rebekka wie von der Tarantel gestochen auf und eilte ins Wohnzimmer. Es war hell erleuchtet. Meph stand im Schein der Lampen und sah sich neugierig um. Er hatte sich Blut und Dreck aus dem Gesicht gewaschen und sah jetzt nicht mehr aus, als sei er von einer Horde Ritter-Greifer überrannt worden, sondern nur noch zu Tode erschöpft.
Er wollte etwas sagen, aber Rebekka starrte ihn wütend an und schlug auf den Lichtschalter. »Idiot! Willst du, dass dich jemand sieht?« Sie deutete zum Fenster, ohne daran zu denken, dass er die Geste im Dunkeln nicht sehen konnte.
»Na, und?«
»Die Nachbarn wissen, dass ich alleine lebe. Wenn sie zwei Personen sehen, schöpfen sie Verdacht.«
»Vielleicht denken sie auch nur, dass du Besuch hast«, meinte er zaghaft.
»Ich kriege keinen Besuch.«
Gegen das Nachtlicht hinter der Fensterscheibe sah sie, wie er den Kopf schief legte. »Solchen Besuch habe ich nicht gemeint.«
»Ich auch
Weitere Kostenlose Bücher