Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
und legte sie auf
das kleine Wandregal. Eine violette Mappe rutschte heraus, die losen Seiten
fächerten sich auf dem Boden auf. Notizen für ihr geplantes Buch ›Tee und
Bewusstsein‹. Falls sie je zum Schreiben kommen würde. Es war immer dasselbe
mit dem Zeitfaktor, Meditation hin oder her.
Im Internet gab sie ›Robert Rabenstein‹ in die Suchmaschine
ein. Hunderte Treffer. Rabenstein hatte als freier Journalist gearbeitet, das
war in seinem fortgeschrittenen Alter ungewöhnlich. Normalerweise fingen die
Jungen als Freie an und wurden irgendwann angestellt, das wusste Berenike von
den Journalisten, mit denen sie in ihrem früheren Job kooperiert hatte.
Vielleicht war Rabenstein ein Star gewesen, der für ein königliches Honorar seltene
Knüller lieferte. Es gab eine Menge Artikel für Die Wirtschaft, ein
wöchentliches Magazin. Seine letzten Beiträge stammten von Anfang des Jahres
2001. Berenike überlegte, warum er diese Tätigkeit wohl aufgegeben hatte. War
er in der Redaktion unbeliebt gewesen, hatte gar Feinde gehabt? Berenike fühlte
sich wie in einem Fernsehkrimi. Aber stellte sie die richtigen Fragen?
Später tauchten von Rabenstein gezeichnete Artikel in der
Oberösterreichischen Rundschau auf und bei einem deutschen Online-Magazin. Schließlich
fand Berenike etwas, das wie eine persönliche Webseite aussah. Man konnte in
Artikeln schmökern, Rabenstein hatte mehrfach wirtschaftliche Missstände
aufgedeckt. Dann kam ein abrupter Schwenk, etwa 2001, seither hatte er sich in
die Machenschaften der Esoterik-Welt verbissen, einige Artikel hatten hohe
Wellen geschlagen. Also doch ein Star … Natürlich hatte man ihn immer
wieder vor Gericht gezerrt, er selbst hatte ebenfalls geklagt. Hinter ihm stand
der Staranwalt – Berenike erstarrte, als sie den Namen ein zweites Mal
las – Gilbert Donner. Dass der auch Medienrecht machte, war ihr neu. In
einem preisgekrönten Artikel Rabensteins ging es um eine sektenähnliche
Gruppierung, die einem sogenannten Führer huldigte und sich selbst als Gruppe
von Auserwählten betrachtete. Die Symbole der Sekte erinnerten fatal an
Hakenkreuze. Berenike klickte sich durch weitere Artikel, aber die Verbindung
zwischen Esoterik und Faschismus ließ sie nicht los. Sie hatte bisher nie
darüber nachgedacht. Ihre Hände waren kalt, als sie sie aneinanderrieb, fühlten
sie sich steif an. Hatte Rabenstein recht gehabt? Führten sich die Gurus wie
kleine Führer auf, erhöht, umjubelt von der Masse? Aber war das nicht etwas
weit hergeholt? Ein unstatthafter Vergleich mit der Shoah, dem Massenmord an
Jüdinnen und Juden? Berenike hörte sich auf Rabensteins Webseite einen Song der
Gruppe Spirit Kings an – eine weitere Aufdeckung Rabensteins. In dem
rapartigen Lied wurden schwarze Frauen als ›black bitches‹ besungen. Sexy?
Bedingt.
Berenike suchte nach Kontaktdaten, aber nirgends war etwas zu
finden. Keine E-Mail-Adresse, keine Telefonnummer. Im Impressum stand der Name
einer Firma für Webprogrammierung. Seltsam. Vorsicht war gut, aber das ging ein
wenig zu weit. Berenike trank abwesend einen Schluck von dem inzwischen kalten
Tee. Sie schob das Geschirr beiseite. Eine Biografie des Journalisten war
nirgends aufzutreiben. Das würde sich ändern, sobald die Nachrufe in den Medien
einsetzten.
Gähnend klickte Berenike ein weiteres Suchergebnis an. Eine
Webseite war wie die andere. ›Forum für Bewusstsein der historischen
Kreisläufe‹ hieß das Portal. Sie wollte die Webseite bereits schließen, als ihr
Blick auf den rechten Seitenrand fiel. Dort stand in fetten Lettern: ›Morgen
berichtet an dieser Stelle Robert Rabenstein über die Ereignisse des Jahres
1945 im Ausseerland.‹
Berenike suchte das Datum des Berichts: 20. Mai. Am Abend des
gleichen Tages war Rabenstein gestorben. Kain fiel ihr ein, die Notiz, die man
bei dem Toten gefunden hatte. Stand der angekündigte Bericht mit dem Tod des
Reporters in Zusammenhang? Müde stützte Berenike ihre Stirn auf die Hände,
spürte die Falten ihrer Haut. Müdigkeitsfalten. Sorgenfalten. Die Augen
brannten vor Trockenheit.
Sie stand auf und streckte sich. Im Teesalon war noch immer
tote Hose. Vielleicht konnte sie früher zusperren. Sie warf einen Blick auf den
Kalender, der hinter der Theke lag. ›19 Uhr Pessoas Erben‹ stand da. Oh nein!
Auch noch der Schreibtreff, an einem Tag wie diesem. Berenike war versucht,
Ragnhild zu fragen, ob sie übernehmen
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