Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
dauergewellten
kaffeebraunen Haar und dem Dirndl in gedeckten Erdfarben musterte sie die
bereits Anwesenden strengen Blicks.
Berenike wandte sich den drei Wienern Mitte 50 zu, die
gemeinsam hereinpolterten. Sie waren weder schreibend noch spirituell sehr
aktiv, brachten aber jede Menge Gelächter in die Runde. Alle drei stießen nur
zu ›Pessoas Erben‹, wenn sie in ihren Zweitwohnsitzen etwas außerhalb von Bad
Aussee weilten. Hans Ebner, Gottfried Wurbaschitz und Karli Leitmayer waren als
Manager im selben Industriebetrieb tätig. In Aussee suchten sie nach
Entspannung und Betätigung, surften oder gingen raften. Sie waren
Singles – und auf der Suche, das fiel allen sofort auf. Gottfried wandte
seinen grauen Elefantenkopf Gretl zu, während Hans und Karli leise miteinander
tuschelten und lachten.
Bei Sylvie Lechner würde derzeit keiner von ihnen landen. Sie
und Stefan Radischer, Bademeister in der Wellnesslandschaft Allegro in Bad
Aussee, waren das aktuelle Traumpaar der Runde. Während seine Kundschaft die
Kurbehandlungen genoss, erzählte Stefan ihnen selbst erdachte, weise
Geschichten. Vor einem Jahr hatte eine Bad Ischler Werbeagentur einige davon
als Hörbuch herausgebracht. Großes Trara in der Presse, Stefan hatte Berenike
ein Exemplar aufgedrängt. Sie verschwieg, dass sie nie länger als bis zur
zweiten Geschichte wach geblieben war. Das war sicher kein Zeichen mangelnder
Qualität, es mochte schlicht an ihrer ständigen Übermüdung liegen.
»Was macht euer Co-writing?«, wandte sich Karl an die beiden
und fixierte dabei Sylvies Schwanenhals.
»Ist alles unter Verschluss!« Während Sylvie Stefans Hand
hielt, fummelte sie mit der anderen an ihrem Dekolleté herum. Karl zog prompt
seinen Bauch ein, worauf Sylvie in gackerndes Lachen ausbrach. Sie hatte sich
auf Krimikurzgeschichten mit spiritueller Botschaft spezialisiert, 14 oder 15
waren bereits vollendet. Keine von ihnen hatte bisher das Licht der
Öffentlichkeit erblickt. Die Welt sei nicht reif dafür, klagte sie. Bis es so
weit war, lebte sie von der Vermietung einiger Fremdenzimmer, im Winter
arbeitete sie beim Skilift am Loser.
»Wie geht es deiner Schreibblockade?«, erkundigte sich
Seraphine mitfühlend bei Stefan. Ihre knochigen Hände raschelten in einer alten
Lederaktentasche herum, förderten ein violettes Notizbuch zutage.
»Wächst und gedeiht, die verdammte Leere in meinem Kopf«,
Stefan ließ sich auf einen Sessel fallen und starrte auf den Boden vor seinen
weißen Tennisschuhen. Das Co-writing, so wussten alle, hätte vor allem ihm
helfen sollen.
In die Stille hinein quietschte Sylvie: »Hier ist das
passiert, mit Rabenstein?«
Stefans Kiefer verkrampfte sich, während er Sylvie mit seinen
Augen durchbohrte. Das waren plötzlich Vibes! Stefan war als eifersüchtig
bekannt. Dabei hatte er selbst ein freizügiges Liebesleben hinter sich, ganz
dem Berufsklischee entsprechend.
»Rabenstein«, das war Gretls überraschend schrille Stimme,
»wisst Ihr, was der macht?« Ihr Kopf zitterte. »Er sitzt bei jedem
Journalistenpreis in der Jury. Und lehnt alle ab. Alle.«
»Aber, Gretchen«, Seraphine legte sachte den Arm um die
Kollegin. Diese schüttelte die Berührung ab. »Lass mich. Rabenstein ist selbst
schuld, dass er kalt und tot ist. Kalt und tot, jawohl. Er war erfolgreich, es
wäre ihm kein Stein aus der Krone gefallen, wenn er einmal ein gutes
Wort …«
»Hast du am Ende …?« Stefan sah zu Gretl auf, die immer
noch nicht Platz genommen hatte. Er biss sich auf die Lippe, unterdrückte ein
Lachen. »Grete, liebe Grete, du?«
»Ja«, Gretl Eisner wand sich wie eine Gummipuppe, »aber
lassen wir das.«
»Nein, erzähl, was ist passiert?«
»Ich habe ihm einige meiner Betrachtungen geschickt. Er hat
sie unkommentiert zurückgesandt. Unkommentiert!«, Gretl Eisners Stimme
schrillte durch den Raum, »ohne ein Wort. Aber großkotzig im Auto durch die
Gegend fahren, mit überhöhter Geschwindigkeit!«
»Ich könnte, hmchm, den Todesfall numerologisch auswerten.«
Wieder die raue Stimme. Der Neue. Alle Augen richteten sich auf ihn, auch
Berenikes. Einen Moment herrschte Stille. Kühle Stille. »Die Kabbala
sagt …«
»Kann ich bitte diesen Minztee haben?«, wandte sich Gretl an
Berenike. Sofort fingen wieder alle gleichzeitig zu reden an. »Du weißt schon,
den mit den verschiedenen Sorten Minze …«
»Du meinst wahrscheinlich den Abendtee mit Apfelminze,
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