Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Moment
erkannte sie die hochgewachsene Gestalt von Helena in der Tür. Die Gaifahrerin
ihrer Lieblingsbäckerei war immer gut gelaunt. Als Berenike neu ins Ausseerland
gezogen war, hatte sie zunächst befürchtet, auf gesunde Nahrung verzichten zu
müssen. Doch dann hatte sie ›Brot zum Leben‹ entdeckt, der Bäcker garantierte
für die Qualität seiner Waren mit einem stilisierten Sonnenrad. Es hatte
Berenike zunächst an ein Hakenkreuz erinnert, aber man durfte nicht kleinlich
sein, die Sache war harmlos. Hopefully. Wenn Rabenstein allerdings recht hatte
mit seiner These, dass Esoteriker und Nazis einander ähnelten … Sie wollte
deswegen nicht die Bäckerei wechseln, wo sie das Vollkornbrot aus Roggen,
Dinkel oder Kalmut so mochte. Es wurde nach überlieferten bäuerlichen Rezepten
mit vitalisiertem Wasser gebacken. Ein Unterschied, den sie schmeckte, das
konnte ihr niemand ausreden. Sie hatte es sich erklären lassen: Das Wasser
wurde mit einem speziellen Gerät von Umweltgiften, Bakterien und anderen
negativen Einflüssen gereinigt und energetisch aufgeladen. Mit diesem
Power-Brot gestärkt, fühlte sie sich dazu in der Lage, Bäume auszureißen.
Berenike war gern bereit, dafür mehr zu bezahlen, ebenso wie viele ihrer Gäste.
»Berenike, griaß di! Stell dir vor, wen ich im Hotel Seebrise
gesehen hab.« Helena stellte eine Kiste mit duftenden Brotlaiben auf die Theke.
»Anton Stürmer! Ist der wegen dir hier?«
»Stürmer, der Bestsellerautor? Damit habe ich nichts zu tun,
leider. Ein Vortrag von ihm würde mir gutes Geld bringen.« Anton Stürmer war
wie ein Komet in der New-Age-Szene aufgestiegen. Die Bücher des geborenen
Niederösterreichers erreichten Millionenauflagen in aller Welt. Seine
schlaksige Gestalt mit dem Indianerzopf tauchte häufig im Fernsehen auf.
Berenike hatte seinen Worten früher gern gelauscht, aber …
»Vielleicht ist Stürmer auf Kur«, fuhr Helena fort und trug
einen weiteren Korb herein. »Er wirkt nervös. Kein Wunder, wenn man so dünn
ist. Die Angestellten haben hinter seinem Rücken die Augen verdreht, offenbar
hat er lauter seltsame Wünsche.«
»Trinkst einen Tee mit mir, Helena?« Berenike hielt ihr eine
Teedose unter die Nase. Ceylon Delight hieß die neue Sorte, die kürzlich
geliefert worden war.
Helena schnupperte neugierig. »Ja gern, heut hab ich Zeit.«
»Kann er die Stürmer-Methode nicht auf sich selbst
anwenden?« Berenike sortierte frische Mehlspeisen in die Vitrine, Plundergebäck
und Karottentorte. Helena kicherte, Berenike mit ihr. Helena lieferte den
halben Tag Brot aus. Ihre künstlerische Ader lebte sie danach beim Malen von
Mandalas aus. Ihre kreisrunden Bilder waren begehrt, wenn sie von Zeit zu Zeit
ein paar für teures Geld verkaufte. Früher hatte Helena als Assistentin für
einen bekannten Heiler gearbeitet. Für ein geringes Gehalt sollte sie rund um
die Uhr auf Abruf bereitstehen, je nachdem, wann der Virtuose eine Erleuchtung
im Hinblick auf die Kontaktaufnahme mit der geistigen Welt hatte. Zudem hatte
ihm Helenas Auftreten nicht behagt, zu links, zu frei sei sie. Seiner Meinung
nach hätte sie nichts anderes tun sollen, als ihn zu unterstützen und zu lesen,
was er ihr empfahl. Sie lasse sich nicht genügend auf ihn, der doch Mentor sein
wollte, ein. In Folge hatte Helena den Job hingeworfen und es nie bereut. Die
Liefertätigkeit für die Bäckerei endete gegen Mittag, der Rest des Tages
gehörte ihr.
»Stürmer hat interessante Thesen. Seine Bücher erscheinen in
renommierten Verlagen. Aber sein Blick – den hättest du sehen müssen. So
was von – unangenehm. Hypnotisch. Die Damen an der Rezeption haben ständig
gemacht, was er gesagt hat.«
»Ich habe einen Artikel über ihn gelesen«, Berenike goss
Wasser auf, »prost Mahlzeit.«
»Wieso?« Helena stellte die nächste Kiste mit Gebäck auf die
Theke. Berenike nahm zwei Kornspitz, dazu stellte sie Butter auf den Tisch. Der
Geruch nach Sauerteig löste ein angenehmes Hungergefühl in ihr aus. »Hast du
nicht gewusst, dass Stürmer Drogen propagiert? Sie schärfen das Bewusstsein,
behauptet er, und seien für persönlichen Erkenntnisgewinn unerlässlich. Ich
persönlich halte mich lieber von Drugs aller Art fern. Aber das ist natürlich
Ansichtssache.«
Helena war an der Theke stehen geblieben und spielte mit dem
Henkel der Kanne. »Ich sehe das nicht so streng.« Sie strich sich die
halblangen hennaroten Haare hinter die
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