Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
draufgängerischen Reportagen.«
»Na, na!« Sepp nahm einen Block und ein paar Broschüren aus
einer Pappschachtel, die er immer mit sich herumtrug. Es folgten mehrere
Stifte, die er exakt parallel zur Kante auf dem Tisch platzierte.
»Ist in letzter Zeit irgendwas Außergewöhnliches vorgefallen?
Hat er an was Neuem recherchiert?«
»Mag sein.« Selina drehte sich weg.
»So, fangen wir an!« Sepp klatschte in die Hände.
Sylvie nahm Berenike das Glas Most aus der Hand. »Jeder,
der Dreck am Stecken hatte, hat vor seinen Aufdeckungen gezittert«, murmelte
sie, »ob alter Nazi, Katholik oder sonst was. Einer hat eben nicht mehr nur
zittern wollen.«
»Da schreib ich lieber meine Gstanzln.« Sepps Lachen polterte
seltsam falsch durch den Raum.
»Bei mir ist das anders. Ich schreibe nicht, um die Menschen
zu unterhalten. Mir geht es um das Bewusstsein.« Stefan bückte sich, um in
seiner Umhängetasche zu kramen. Ein Stück weißer Stoff lugte aus seinem
Hosenbund hervor. ›Calvin Klein‹, las Berenike.
»Ein Neuer begehrt Aufnahme«, hörte sie Sepp sagen, »Jonas,
hast du Texte mitgebracht?«
»Äh – ich – nein. Das wusste ich nicht.«
»Gut, dann sehen wir das nächste Mal, was du so schreibst.
Für heute darfst du provisorisch dabei sein.«
Selina reichte Jonas ein kopiertes Blatt Papier, mit viel
Grün und Schnörkel. »Alle meine Werke. Zum Kennenlernen.« Sie blickte ihm
aufdringlich grinsend in die dunklen Augen.
Berenike stellte die Klingel auf der Theke bereit und
verkroch sich ins Büro. Die Entwürfe für das Geschäftsschild rutschten auf den
Boden, als sie den Sessel unter dem Tisch hervorzog. Sie schob sie beiseite.
Rasch beantwortete sie einige E-Mail-Anfragen und füllte Tee für ein paar Bestellungen
ab.
Am Tisch waren alle ins Gespräch vertieft. »Wir könnten eine
Schifffahrt auf dem Hallstätter See veranstalten, mit anschließender Wanderung
zum keltischen Gräberfeld«, schlug Alma gerade vor, »natürlich bei Nacht,
möglichst bei Vollmond.« Berenike holte eine neue Platte mit Gurkensandwiches
aus dem Eiskasten. Kurz herrschte Stille, als alle nach den Brötchen griffen.
Es war kurz nach zehn, als sie aufbrachen, Berenike war
froh darum. Sehnsüchtig dachte sie an ihr Bett. Die Tür schlug hinter Alma zu,
sie war die Letzte. Rasch räumte Berenike das Geschirr ab, den Rest würde sie
morgen machen.
In der Küche entledigte sie sich mit müden Bewegungen des
Saris und schlüpfte in ihre Hose. Ein Geräusch schreckte sie auf. Berenike
stockte der Atem, sie kam sich lächerlich vor. Schnell streifte sie das T-Shirt
über, eilte in den Salon. Ein großer, schlanker Mann in Tracht schob sich zur
Tür herein. Er trug eine abgewetzte Lederhose zum grünen Steirerjanker, in der
Hand hielt er einen dunklen Regenschirm. Sein Gesicht nahm einen abweisenden
Ausdruck an, während er sich umsah.
»Herr Scheiner, was verschafft mir die Ehre?«
Ein leises Knirschen, fast unhörbar. Das Türchen der
Kuckucksuhr, ihr Zugeständnis an den Alpenkitsch. ›Kuckuck!‹
»Kann ich Ihnen einen Tee bringen? Sie werden sehen, bei dem
Wetter …«
»Bemühen Sie sich nicht.« Scheiner schob sie mit einer
Armbewegung zur Seite und zog den Rotz in der Nase hoch. »Ich komme nicht wegen
Tee.«
Die Härchen auf Berenikes Unterarm stellten sich auf. Sie
kannte die Gerüchte. ›Kuckuck!‹ Scheiner war zu jung, um so viele Lokale im
Salzkammergut ehrlich erworben zu haben. Er hatte den Immobilienbesitz geerbt,
nachdem sein Vater unter ungeklärten Umständen bei einem Schusswechsel auf der
Trisselwand ums Leben gekommen war.
Jetzt hob er die Augenbrauen. »Es geht um Ihren Pachtvertrag.
Wenn Sie so weitermachen«, er fixierte sie aus zusammengekniffenen Augen, sie
waren grün, steirergrün, »dann ist Ihr Pachtvertrag nichtig!« Er blinzelte. Den
grünen Steirerhut hatte er nicht abgenommen. Was für eine seltsame Kleidung für
einen kaum 40-jährigen Mann. Berenike fröstelte. Das Regenwasser rann von
Scheiners Schuhen und sammelte sich in Lachen auf dem Boden. Sie hatte von den
Kontakten dieses Mannes gehört. Von Schmiergeld auch. »Ich habe Dinge über Sie
erfahren! Sie können froh sein, wenn ich sie für mich behalte.« Er fuhr mit dem
Finger über eine der schwarzen Tischplatten. »Aber Mord geht zu weit. An Mörder
vermiete ich nicht. Wenn Sie den Verdacht nicht ausräumen, werden Sie dieses
Lokal verlassen. Mit samt Ihrem Kram! Es gibt
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