Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Ursprungsländern des Tees, gespielt vom Lotosgarden Orchestra. Die Songs trugen Titel wie
›Mountains of Assam‹ oder ›Ceylon Afternoon‹. Während sanfte Klänge aus
exotischen Instrumenten den Teesalon erfüllten, machte sich allmählich ein
wenig Gelassenheit in Berenike breit. Na eben, Musik, sie hatte es immer schon
gewusst.
Sie schlug die Zeitung auf. ›Mysteriöser Todesfall in Ausseer
Teesalon‹, ein umfassender Bericht, sie wurde mit vollem Namen genannt. Super
PR. ›Der Journalist erfreute sich eines guten Gesundheitszustandes‹, hieß es in
dem Artikel, zu dem es keinen Hinweis auf den Verfasser gab. ›Er trainierte
regelmäßig, unter anderem Langlaufen‹. Ragnhild hätte der Mann gefallen. Sie las
weiter: Gerade Journalisten stünden aus beruflichen Gründen stark unter Stress,
ein früher Tod sei nicht selten. Ein Gerichtsmediziner sprach von einer hohen
Herzinfarktrate unter Medienleuten. Berenike wusste, dass es in den Redaktionen
viel, viel banaler zuging. Langweilig banal.
Sie schob das Teegeschirr zur Seite, um Platz zu schaffen und
blätterte die Zeitung Seite für Seite durch. Tourismuswerbung, eine neue
Friseurin, die nach dem Mondkalender schnitt. Massagen, Inserate. Das Hotel
Seebrise suchte einen Portier – dort könnte sie ihr Glück versuchen. Oder
wieder Events checken. Naja. Das Zeitungspapier raschelte. Die letzte Seite
musste nass geworden sein, das Papier wellte sich. Hatte wieder einmal ein Gast
mit dem Tee gepanscht, manche lernten es nie. Berenike glättete das Papier mit
dem Handrücken. ›In tiefer Trauer nehmen wir Abschied‹ … ›geliebter
Partner und Vater‹ … ›viel zu früh grausam aus unserer Mitte
gerissen‹ … ›die Hinterbliebenen‹ … ›Mosern 189‹ …
Mosern – ein Ortsteil von Grundlsee. Das war es. Der
erste Faden im Spinnennetz, der sich zur Aufklärung anbot. Wie elektrisiert
richtete sich Berenike auf, riss mit einem entschlossenen Ruck die Seite mit
Rabensteins Todesanzeige heraus. Sie könnte hinfahren, es war nicht weit. Im
Salon war sowieso nichts los. Die drohenden Worte des Vermieters gingen ihr im
Kopf herum wie ein absurder Abzählreim. Wenn ich hier weg muss, bin ich auch so
gut wie tot. Vernichtet. Bei lebendigem Leib.
Sie rief Ragnhild an. Zum Glück war sie zu Hause und kam
vorbei, um auszuhelfen. Auf den ersten Blick wirkte sie wie immer. Sie mussten
später miteinander reden.
Berenike wollte gerade gehen, als das Telefon läutete.
»Salon für Tee und Literatur, Roither, guten Tag?«
»Heil!«
»Wer spricht bitte?«
»Lahn. Sieghard Lahn.«
»Begrüße Sie, Herr Lahn. Wie gehts? Ich hoffe der
Vorfall …«
»Mein Honorar. Sie verstehen?«
»Was?«
»Ich warte auf Ihre Überweisung. Sie waren bei der Lesung
so – nun ja, nennen wir es verwirrt.« Lahn. Berenikes Knie gaben nach. Sie
lehnte sich gegen die kühle, harte Wand.
»Normalerweise erhalte ich mein Geld sofort, in bar.«
»Das tut mir sehr leid, Herr Lahn.«
»Es ist schlimm genug, dass man als Poet von so einem
Ereignis zutiefst verstört wird.« Lahns Stimme im Hörer wurde soldatischer.
»Dazu das Scheißverhör. Sie können nicht wissen, wie schwierig es ist, die Muse
bei Laune zu halten.«
»Ich«, Berenike hustete, aber der Frosch im Hals schien
festzustecken, »ich bitte Sie um ein wenig Entgegenkommen. Selbstverständlich
werde ich sobald wie möglich den Betrag überweisen. Aber wie Sie wissen, hm,
also der To…, der Vorfall, kurz, Sie haben nur bis zur Pause gelesen, wir haben
keines Ihrer Bücher verkauft. Ich möchte Ihnen ausnahmsweise zwei Drittel des
vereinbarten …«
»Was feilschen Sie da herum? Sie haben meinen
Honorarvorschlag doch akzeptiert. «
Berenike tastete nach einem der Barhocker. »Wie gesagt, Herr
Lahn, ich bitte Sie um etwas Verständnis. Ich muss die Miete für den
Salon – der Verpächter – eventuell können wir Ihren Auftritt
wiederho–«
»Sie haben meine Bedingungen akzeptiert. Ich erwarte, dass
Sie sich daran halten. Nicht mehr. Egal wie.«
Berenike spürte, wie ihre Zunge am Gaumen klebte.
»Aber …«
»Wollen Sie mich auch noch betrügen? Das wird Ihnen leidtun.
Sehr leid. Ich glaube nicht, dass Sie in Ihrer Position einen Skandal
verkraften können.«
»Aber …«
Im Hörer ertönte das Freizeichen. Er hatte aufgelegt.
Der Kuckuck in der Wanduhr schrie. Berenike nahm ein Buch,
das jemand liegen gelassen hatte. ›Frieden im Nahen
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