Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Höhlen. Niemand sonst war in
der Nähe. Überlaut hörte sie das Rauschen des Baches hinter der Anlage. Die
Beleuchtung war abgeschaltet. Etwas raschelte, sehr leise. Es hörte sich an wie …
Nylonsporthosen. Sie starrte. Konnte nicht sehen, ob der andere zurückstarrte.
Sie tastete nach dem Handy, aber sie musste es vergessen haben. Wenigstens
blieb sie so von den mysteriösen Anrufen verschont. Wenngleich, sie überlegte.
Wann hatte das letzte Mal das Telefon geläutet, Nummer unbekannt? Es musste ein
paar Tage her sein, wenn sie sich richtig erinnerte. Sollte das am Ende
gar …?
Sie hörte eine Männerstimme unverständliche Worte
hervorstoßen. Italienisch vielleicht, nein, doch nicht. Jetzt hob der Typ die
Hand. Es sah aus wie – ja, wie eine Waffe. Hatte sie noch eine Chance,
wenn sie weglief? Lieber keine Bewegung und nicht das geringste Geräusch
machen. Vielleicht hatte er sie nicht gesehen.
Die Stimme des Mannes hörte sich jung an. Er hob die Hand
und – Berenike wurden die Knie weich – hielt die Hand ans Ohr. Der
Typ telefonierte! Wahrscheinlich einer von den Rumänen, die man als
Forstarbeiter angeheuert hatte. Die wohnten hier irgendwo.
Der Unbekannte hielt das Handy ans Ohr gepresst und streifte an
Berenike vorbei. Nahe. Zu nahe. Ein Blubbern drang an ihr Ohr. Die Soleleitung,
vielleicht hatte sich ein Automatismus eingeschaltet. Nichts wie weg jetzt. Sie
drehte sich um, vermeinte eine Bewegung bei den Bäumen hinter der Gradieranlage
zu erkennen. Damn it, es war viel zu finster, um etwas zu erkennen. Mit
tastenden Schritten schob sie sich näher. Etwas raschelte. Vielleicht ein Tier.
Die Katze von vorhin.
Es reichte. Berenike stolperte zur Straße. Endlich war sie
bei der Königsgarten-Villa, in der Friedrich Torberg geschrieben hatte. In
sicherem Abstand zur Gradieranlage und allem, was sich möglicherweise drumherum
aufhielt. Hier gab es wenigstens Straßenbeleuchtung. Eine literarische
Veranstaltung in dem Gebäude wäre der Gipfel, Berenike bemühte sich, den
Gedanken festzuhalten. An etwas Erfreulicheres denken als an Mord und
Totschlag. An Verfolgung und Angst.
In keinem Haus brannte noch Licht. Nicht anders als zu
Torbergs Zeiten. Also kaum Veränderungen in Aussee …
Berenike rannte, sie war so müde. Sie wollte schlafen. Doch
ein Gedanke spukte ihr hartnäckig im Kopf herum. Gilbert Donner und Robert
Rabenstein waren so knapp hintereinander tot aufgefunden worden. Beide in
Altaussee. Konnte das wirklich Zufall sein? Und der Einsatz von Gift in beiden
Fällen: ebenfalls Zufall?
16
Hoffnung ist wie der Zucker im Tee: Auch wenn
sie klein ist, versüßt sie alles. (Chinesisches Sprichwort)
Plötzlich war die Erinnerung wieder da.
Hinterrücks und schmerzhaft. Dabei hatte sie die Sache bis ins letzte,
widerliche Detail vergessen wollen. Dass sich dieser Mensch immer in ihr Leben
drängen musste, selbst als Toter. Eine eigenartige karmische Lektion, indeed.
Ja, Berenike hatte ein Motiv. Und?
Donners Ruf war bis zuletzt hervorragend gewesen. Der
bekannte Anwalt, christlich geprägt, setzte sich für vernachlässigte Kinder
ein. Wenn nötig unentgeltlich. Dazu seine politischen Aktivitäten. Seine Visage
war ständig in den Medien gewesen. Wenige wussten, wer er wirklich war. Wie
viel Grund sie hatte, ihn zu hassen. Wenigen gestattete sie dieses Wissen.
Die Sache verjährte nicht. Nicht für sie.
*
Ein
Septembertag, ein Kundentermin wie viele andere. Berenike war am Gipfel ihres
Erfolgs. Sie war Teil von PrincessEvents, der größten Agentur des Landes.
Dachgeschosswohnung in Margareten, einem der progressivsten Grätzel Wiens.
Freundschaften mit mächtigen Menschen, die andere nur aus dem Fernsehen
kannten. PrincessEvents-Boss Brian Skerczan tat sich mit Donners neuer Partei,
der Nationalen Bewegung, zusammen. Er nannte sich Brian, um Erfolg zu haben. Zu
oft hatte er erlebt, wie schwer sich die Menschen mit der Aussprache seines
ungarischen Taufnamens, Balázs, taten. Eine Hand wäscht die andere, so lautete
die Philosophie ihres damaligen Chefs und Teilzeitlovers. Wie viele Immigranten
wollte er nicht, dass noch mehr davon nachkamen. Brian wollte Macht – und
bekam sie. Er war sexy und unerbittlich. Gute Wahlergebnisse bedeuteten
steigenden Einfluss für die Agentur. Berenike bekam den Auftrag für die Partei
intern zugeschoben. »Du als meine beste Eventmanagerin!« Brian rekelte sich
über
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