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Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi

Titel: Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Buerkl
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Lavendel – legte Berenike sich kurz nieder,
obwohl es erst später Nachmittag war. Ein blonder Hüne tanzte durch ihren
Traum, schwang hölzerne Gegenstände, wollte ihr etwas mitteilen, etwas
Wichtiges. Atemlos wachte Berenike auf. Es war nicht auszuhalten hier. Sie
musste weg. Hinaus. An Frau Gasperls Tür vorbei. Auf leisen Sohlen. Zu Madame
Montego war es zu weit, leider. Die Straße hinunter in den Ort. Vorüber an den
Gasthäusern, in denen Menschen beim Abendessen saßen, Geschirr klapperte. Man
prostete sich mit Wein zu. Ende eines erfolgreichen Urlaubstages. Aber auch:
Stille zwischen den Menschen. Zwischen den beiden Hälften eines Paares, das
sich nichts mehr zu sagen hatte. Kellner, die abwarteten. Ob noch Wein bestellt
wurde. Um wenigstens einen Satz zu sagen. ›Noch einen Liter Welschriesling.‹
Oder doch ›Die Rechnung bitte‹.
    Die Gradieranlage also.
    Berenike schlich darum herum, es musste auffallen. Man sagte,
dass eine Mörderin an den Ort ihrer Taten zurückkehrt. Was, wenn jemand sie
beschattete? Der Weg hierher ging als Spaziergang durch. Man schnitt sie im
Dorf, manch einen ertappte Berenike dabei, wie er ihr hinterrücks nachstarrte.
    Die Gradieranlage.
    Berenike betrachtete die Einrichtung mit Sicherheitsabstand.
Man wusste ja nicht. Sie hatte Inspektor Kain nicht gefragt, ob weiterhin
Gefahr bestand, Gift einzuatmen. Rot-weißes Absperrband flatterte im
allgegenwärtigen Ausseer Wind. Ein Blick zum Himmel: schwarze Wolkentürme in
der beginnenden Dämmerung. Auf das Wetter hier war Verlass. Klimawandel,
zunehmende Trockenheit – nicht im Salzkammergut.
    Das also war der Ort, an dem der unmögliche Mensch sein Ende
gefunden hatte. Gilbert Donner. Unmensch. Mensch. Kaum jemand wusste, wie sehr
Donner den Tod verdient hatte.
    Berenike schnupperte. Nein, zu riechen war nichts. Das
verwendete Gift war vielleicht geruchlos, so etwas gab es. Sie wusste von
Nervengiften, die die Atmung lähmten und einen qualvollen Tod brachten. Ihre
Schwester Selene würde mehr über so etwas wissen, sie hatte eine Weile
Pharmazie studiert. Selene hatte damals kaum etwas von der Familiengeschichte
geahnt. Der Geschichte, die die Mutter verbergen hatte wollen. Rose mit dem
blonden Haar und dem versoffenen Blick.

     
    Ein Abend in den Achtzigerjahren, die eben erst
begonnen hatten. 1981 musste es gewesen sein. Zeit im Bild, halb acht am Abend.
Rechtzeitig zum Nachtmahl. Liptauer und Kornspitz. Berenike sah bis heute das
Himbeerwasser vor sich stehen. Das Himbeerwasser, das sie ausgespuckt hatte.
Beim Blick auf die Nachrichten. Der Überfall auf die Wiener Synagoge. Die
Bilder der Getöteten. Fred, ihr Vater, klein und blass vor dem Fernseher.
Damals war es zum ersten Mal passiert. Liptauer, Gebäck, Himbeerwasser in der
Klomuschel. Erbrechen, weil sonst nichts mehr half.
    »Du und ich«, hatte ihr Vater gemurmelt, als Berenike
zurückgekommen war und das Essen wegschob. Selene war nicht dabei gewesen.
Vielleicht war sie drüben beim Opa, wie so oft. Half den Großeltern, wie sie es
nannte. Der Opa, der ihnen das Abo für das Theater in der Josefstadt vermacht
hatte. Selene hielt sich oft in seinem Geschäft auf. Berenike schockierte die
robust polternde Art des Alten mit seinen roten Wangen und den herben Scherzen.
Der ihr so fremd war und gleichzeitig so vertraut. »Mädchen, wir machen was aus
euch, trotz allem!« Dabei strich er Berenike über die schwarzen Haare und
Selene über die viel helleren.
    »Du und ich«, wiederholte der Vater, obwohl ihre Mutter
dazwischenrief: »Nicht, Fred, was kann das Mensch dafür!« Aber das Mensch hatte
einen besonderen Sinn für Geheimnisse, ahnte Dinge, bevor sie Worte wurden,
bevor die Worte Wurzeln schlugen.
    »Was ist mit dir und mir?« Berenike hielt sich mit einer Hand
den Magen, eine Geste, die sie bis heute beibehalten hatte.
    »Du weißt es längst, Berenike. Wir sind nicht wie die
anderen.«
    »Hör mir auf mit dem auserwählten Volk.« Die Stimme ihrer
Mutter war leise. Sie ging und kam mit einer Flasche Wein zurück. »Du auch,
Fredi?«
    »Als ob das was helfen tät. Aber ja, einen Schluck.«
    »Und du, B-Berry?«
    Es war das erste Mal, dass Berenike Alkohol angeboten bekam.
Sie nickte. Der Alkohol schien den Erwachsenen zu helfen, vielleicht auch ihr.
Trotz der Übelkeit vorhin.
    »Wieso sind wir anders, Papa?«
    »Wir sind jüdischer Herkunft. Wir sind wie die auf dem
Bildschirm.« Gerade wurde eine

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