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Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi

Titel: Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Buerkl
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Großaufnahme eingeblendet. Überall Blut.
Blutlachen.
    »Wir? Wer? Auch Mama?«
    Fred sah Rose an. »Rose nicht.« Er sagte »Stop«, als Rose
einschenkte. In dem Moment fielen sämtliche Puzzlesteine von Berenikes kurzem
Leben an ihren Platz. Alles passte zusammen. Ihre Ängste, die die Mutter klein
und lächerlich reden wollte: vor einer vollen Straßenbahn, vor Menschenmengen
auf der Straße, vor ratternden Zügen, engen Räumen. Selene, die immer das
leuchtende Vorbild sein sollte. ›Dabei ist sie die Jüngere!‹ Selene leugnete
bis heute. Dass das Erbe der Gaskammern ihnen im Blut stecken sollte.
Mit-Vergangenheit. Berenike wurde mit Verachtung gestraft, wenn sie die Tränen nicht
zurückhalten konnte. Die Lehrerin, die sie als Lügnerin bezeichnete. ›Du mit
deinen G’schichten. Du willst dich nur in Szene setzen.‹
    Plötzlich war alles an die richtige Stelle gerutscht, auch
dass die Großeltern nie da waren, wenn Fred kam. Später hatte Berenike
erfahren, dass die beiden eine Heirat zwischen Fred und Rose hintertrieben
hatten. Und auch den Satz des Großvaters hatte sie begriffen: ›Wir machen schon
was aus euch.‹ Selene, hell, fast blond und von sonnigem Gemüt, kein Problem.
Selene, die ihn anlachte. Aber Berenike, du bist so dunkel und traurig. Dazu
die Oma mit ihren Augen wie Glas und ihrem Pelzmantel. Der Opa, verwundet im
Kampf. Über diesen Heroismus darf man reden. Der Kampf um Wien. Und die Russen.
Was wir unter denen gelitten haben!
    Roither hieß man, Roither blieb man. Und da kam Fred, arm und
grau und mit seinen traurigen Augen! Fred, der Bub, der versteckt wurde. Und
dass du dich mucksmäuschenstill verhältst! ›Bis später‹, sagten seine Eltern.
Aber später kam nie. Abgeholt wurden sie, nachts. ›Wo wohnen die Juden?‹ Genug
Auskunftswillige unter den Nachbarn. Treblinka, Majdanek, Auschwitz. Berenikes
Schulklasse fuhr nach Mauthausen. ›Ich kann nicht, mir ist schlecht.‹
Ausnahmsweise bekam sie eine Entschuldigung geschrieben. Das Kind war krank,
Magen-Darm-Grippe. Berenike hat die anderen nicht gefragt, ob sie wie sonst
ihre Jause gegessen haben. Nur dass jetzt alle in der Klasse wissen: Berenike
hat Verwandte, die ermordet worden sind.
    So viele Geschichten. ›Kannst du nicht aufhören, daran zu
denken? Was bringt das schon!‹

     
    Und jetzt stand sie hier, so viele Jahre waren
vergangen. Fred und Rose, ihre Eltern, hatten sich längst getrennt, womöglich
auch deswegen. Berenike zitterte, ein paar Meter nur entfernt von dem Ort, an
dem ein Mensch gestorben war – murdered.
    Donner. Gilbert Donner. War der Mann, blöd wie er war, ohne
Gspür für irgendetwas, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen? Konnte es so
einfach sein?
    Es war, als wären ihre Füße festgenagelt. Immer wieder
blickte sie zur Gradieranlage, in der die Sole nicht mehr beruhigend über
Tannenreisig plätscherte. Neben dem Hotel Seebrise waren ein paar Menschen
stehen geblieben, Feriengäste, wie Berenike mit geübtem Blick feststellte.
    ›Ein Doppelmörder‹, waren Kains Worte gewesen. Andeutung
eines Zusammenhangs zu Rabensteins Tod. Vielleicht hatte es der Dorfkieberer
auch nur so dahingesagt.
    Ein kleiner grauer Schatten im Gras, eine Katze verschwand in
einem Garten.
    Die Gradieranlage. Normalerweise ein Ort der Ruhe und
Entspannung. Höchst meditativ, hier im Kreis zu gehen, die fein zerstäubten,
feuchten Partikel einzuatmen. Sie dachte an jenes verhatschte Gedicht, das ein
übereifriger Kurgast angebracht haben musste: ›Vollgepumpt mit Aerosol, fühlst
du dich da pudelwohl‹. Die Zweige wurden auf hölzernen Traversen festgesteckt.
Das Holz, über das bisher beharrlich die Flüssigkeit geronnen war, sah
glitschig weich aus. Tropfen hingen in den Querverstrebungen und auf den
Zweigen. Von Frieden und Erholung heute keine Spur. Hatte sich jemand Zugang
zur Technik der Berieselungsanlage verschafft? Das Gift war womöglich in die
Sole gemischt worden. Vielleicht genügte es auch, ein wenig davon in das
Auffangbecken zu schütten. Die Untersuchungen schienen abgeschlossen, zumindest
für heute.
    Als sie sich umblickte, waren kaum noch Leute zu sehen. Die
Kriminalfälle würden die Gäste vertreiben, mit Sicherheit. Besser, sie ging
jetzt heim. Berenike drehte sich um – und erschrak. Ein Schatten. Hinter
ihr. Ein dunkler Typ. Er hielt einen undefinierbaren Gegenstand in der Hand.
Sie sah sich um, die Augäpfel schmerzten in den

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