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Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi

Titel: Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Buerkl
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Ressortleiterin vorzuschlagen. Nach ein paar Wochen meldete sich Berenike
erneut bei der Journalistin. ›Danke für das Angebot, aber …‹ Berenike solle
es nicht persönlich nehmen. Keine Opfergeschichten im Blatt, Entscheidung des
Chefredakteurs. Magdalena Siemens hätte ja gerne, aber … Von da an blickte
Berenike lieber in die Zukunft. Doch Genugtuung – die hatte ihr gefehlt.

     
    *

     
    Gefehlt. Diese Stadt hatte ihr nicht gefehlt. Es
war ihr plötzlich unerklärlich, wie jemand in einer Großstadt leben konnte. So
zügig es bei der Hitze ging, marschierte Berenike die Josefstädter Straße
entlang. Bereits im Zug war die Stimmung umso unerträglicher geworden, je näher
sie der Bundeshauptstadt kamen. In Hütteldorf waren ein paar Jugendliche
zugestiegen, hatten vernehmlich in einer fremden Sprache telefoniert.
    Laute Musik drang aus einem Lokal, irgendwas Orientalisches.
Aus einem anderen Fenster brüllte ein Mann: »Drehts die Scheißmusik ab!« Eine
Frau mit knochigem Gesicht, über dem die Haare zu einem Knoten zusammengezurrt
waren, hastete an Berenike vorbei.
    Weiter, vorbei an jener Auslage mit der ›Geschichte der
Frisur‹. Der Friseurmeister hatte sie damals beraten, als sie die langen Haare
hinter sich lassen wollte. Ein symbolischer Cut, radikal, notwendig. Er hatte
genau erfasst, wo sie mit ihren Haaren stand. Zumindest, dachte sie im
Weitergehen, hatten die Anrufe aufgehört. Seit – konnte das möglich sein?
Seit Donners Tod schienen keine seltsamen Telefonate mehr zu ihr gelangt zu
sein. Also doch er …
    Endlich war sie beim Löwenhof, in dem ihre Mutter weiterhin
wohnte. Die Apotheke mit ihrem antiken Schild ›Homöopathie – Allopathie‹
hatte sich wohl seit Rose Roithers Einzug nicht verändert. Hier war Berenike
aufgewachsen, hier hatten sie und Selene das traditionelle Piaristengymnasium
besucht. ›Damit was wird aus euch.‹ Hier hatte sich ihre Kindheit abgespielt,
ihre Jugend. Die erste Liebe, erste Erkenntnisse: Man muss den coolsten Knaben
des Grätzels küssen. Und später jene seltsamen Monate, ihre Krise. Sie nickte
dem steinernen Löwen zu und trat durch das Haustor. Langsam stieg sie die weit
geschwungene Wendeltreppe in den zweiten Stock hinauf, der jedoch als erster Stock
bezeichnet wurde. Der eigentliche erste Stock hieß nach alter Wiener Tradition
Hochparterre. Berenike drehte an der ratschenden Klingel. Eine Bewegung am
Spion, einem viereckigen vergitterten Fensterchen. Die Mutter öffnete halb,
blieb in der Tür stehen. 200 Quadratmeter Beletage auf der Josefstädter Straße.
Geerbt. Oder arisiert. Die Großeltern, die man hätte fragen können, waren
gestorben, bevor die Fragen gestellt wurden. Gestorben, bevor Fred verrückt
wurde.
    Berenike lauschte in den still daliegenden Gang. Es roch
nach staubiger Hitze. Die Mutter sah nach links und rechts und winkte Berenike
herein. Berenike stellte ihre Tasche unter dem Spiegel mit Goldrand ab. Trat
sich die Schuhe von den Fersen, um sie auszuziehen. Die Mutter runzelte die
Stirn, sagte nichts. Mit nackten Füßen ging Berenike hinter Rose an den zwei
Fenstern mit den wie immer zugezogenen grünen Samtvorhängen vorbei ins etwas
hellere Wohnzimmer. Es war früher Nachmittag, auf dem Tisch standen zwei leere
und eine halb volle Flasche Bier.
    »Bist du allein, Mama, oder stör ich?«
    »Nein, nein. Niemand da sonst.«
    Rose fuhr sich durch die zerzausten, etwas aus der Fasson
geratenen grauen Haare. Ihre Nase wirkte spitz, das Alter wahrscheinlich.
    »Willst du was trinken? Soll ich dir ein Glas …«, Rose
deutete auf die Bierflaschen. Berenike schüttelte den Kopf. »Kaffee
vielleicht?«
    »Wasser, bitte.« Sie kam sich vor wie Besuch. Und das war sie
jetzt auch in dieser von Kitsch überfüllten Wohnung. Zweimal die Woche kam eine
Reinigungshilfe, der Fensterputzer extra, wegen der hohen Räume. Berenike warf
einen Blick auf die Straße, auf das schräg gegenüberliegende Theater. Oft sah
sich die Mutter die gut gekleideten Leute an, die abends darauf zusteuerten.
»Jetzt mit dem – na, dem Dings – als Direktor, naja«, murmelte Rose.
    »Den Gratzer meinst du?« Wieder einmal sehnte sich Berenike
nach Theaterluft. Die Mutter nickte, strich den mausgrauen Rock glatt. An ihren
Ohren hing Gold, etwas anderes vertrage ihre Haut nicht, so sagte sie seit
jeher. Der J-Wagen rumpelte im grellen Sonnenlicht vorbei. Ein Grüppchen
Businessmen, alle im grauen

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