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Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi

Titel: Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Buerkl
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Großeltern beschlossen, ihm eine Betätigung zu verschaffen. Obwohl
er keine große Hilfe war, taten sie es für Rose und für ihre Enkelkinder. Fred
fuhr auf den Großgrünmarkt nach Inzersdorf, schleppte Waren und sprach noch
weniger als bisher. Man könne ihn mit seinem traurigen Blick nicht auf die
Kundschaft loslassen, polterte der Opa. Auch als Kassier entsprach er nicht den
Erwartungen. Er rundete Beträge ab, gewährte ohne Rückfrage großzügig Kredit.
Der Mann sei noch ihr Ruin, schimpfte die Großmutter mit harter Stimme. Eines
Abends zog Fred seinen Arbeitsmantel aus, hängte ihn säuberlich an den Haken im
Durchgang zu den Lagerräumen, strich noch einmal über den Stoff, grüßte alle
freundlich mit dem ihm eigenen traurigen Unterton und verließ das Geschäft, die
Familie – und die Stadt, wie sie später erfuhren. Monatelang keine Spur
von ihm. Irgendwann stand er wieder auf der Türschwelle. »Ich war in Israel.«
Er hatte Freunde dort, aber keine Verwandten. Hatte sich fremd gefühlt, von
einem Zuhause keine Spur. Wieder zurück, erhielt er Sozialhilfe. Manchmal fand
er irgendeinen Job, erledigte ihn, bis er nicht mehr konnte. Wieder
Sozialhilfe, ein neuer Job – und so weiter.
    Rose betrieb die Feinkost später noch kurz weiter, mit
mangelndem Erfolg. Eine Zeit lang hatte man an der Fassade noch den Schriftzug
›Feinkost Roither‹ lesen können, obwohl die klobigen braunen Buchstaben
abgenommen worden waren. Später hatte sich ein Geschäft für
Bergsteiger-Ausrüstung eingemietet. Nichts erinnerte mehr an die ehemalige
Greißlerei.
    »Dein Besuch in Aussee steht noch an, Papa.«
    »Du weißt doch, die Fahrt …«
    »Ich weiß.« Seit seiner Zeit in Israel verreiste Fred ungern.
Er hielt es in keinem Zug aus, schon gar nicht in einem dieser modernen, in denen
sich kein Fenster öffnen ließ. Er war nach seiner Rückkehr erneut im Löwenhof
eingezogen, aber nicht für lange. Nicht immer kannten sie danach seine Adresse.
Rose redete nicht viel über ihn. Rose, die die Schuld den Juden gegenüber nicht
aushielt. Rose, Jahrgang 1944. Rose, die ihre Eltern anschrie, weil sie
ausgerechnet 1938 ihr Geschäft übernommen hatten. Rose, die sich wie
absichtlich in den Juden Fred verliebte. Aus ins Erwachsenenalter
hinübergerettetem, kindlichen Trotz. Rose, die den Mann nicht ertrug, der seine
Zeit im Keller mit sich herumschleppte. Rose, die den alkoholkranken Vater
ihres Liebsten ablehnte – und doch nichts anderes machte als er.
    »Erzähl, wie gehts dir? Wohnst du wieder bei Rose?« Berenike
bejahte. Klirrend stellte die Kellnerin das Tablett mit dem Tee auf die
marmorne Tischfläche.
    »Möchtest du eine Torte?«
    »Nein danke.« Endlich waren sie allein.
    »Das nächste Mal kannst du bei mir übernachten, Berenike. Ich
ziehe in eine größere Wohnung.« Er lächelte sie erwartungsvoll an. Berenike
verbrannte sich die Zunge an dem Tee. »Ein geräumiges Plätzchen in der
Leopoldstadt. Nicht weit vom Zentrum. Jetzt bin ich doch auf der Mazzesinsel
gelandet.« Fred seufzte, ein kleiner Seufzer. »Jahrelang hätten mich keine zehn
Pferde dort hinbekommen. Aber die Wohnung – sie hat einen kleinen grünen
Hof und … «
    »Und?«
    »Ich hab jemanden kennengelernt. Jelena ist Russin. Sie
möchte dich auch mal treffen.« Er drehte die Kaffeetasse in den Händen. Sie war
innen schmutzig braun und außen voller Fingerabdrücke. »Weißt du, seit
Rose – konnte ich nicht. Aber Jelena, sie weiß, wie es ist.«
    Sie weiß, wie es ist, dachte Berenike.
    »Rose hat mich rausgeworfen damals. Ich hätte einen
schlechten Einfluss auf euch Mädchen.« Er sah sie lange an. »Aber jetzt erzähl,
was macht dein Lokal?«
    »Läuft immer besser, aber …« Der Tee hatte endlich die
richtige Temperatur, doch die verbrannte Stelle an der Zunge ließ nur pelzigen
Geschmack zu. Der Vater wusste von der Attacke Donners, von Berenikes
Zusammenbruch. Von der Todesangst. Er weiß, wie es ist. »Ich bin in einen
Mordfall verwickelt. Es gibt jede Menge Verdächtige und ich bin mittendrin.«
    Berenike schnupperte an dem Tee. Allein der Kamillengeruch
beruhigte sie schon. Rose hatte sie in der Früh unbedingt mit einer Eierspeis füttern
wollen. Weil das Kind sonst nichts Ordentliches in den Magen bekäme. Zögernd
hatte Berenike an dem fetten gelben Zeug mit Zwiebeln genascht und schließlich
alles aufgegessen. Jetzt lag ihr das Ganze immer noch im Magen. Sie war so

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