Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Anzug, verließ das nahe Hotel und marschierte zügig
Richtung Innenstadt. Wie beim Militär, so ununterscheidbar voneinander,
überhaupt nicht individuell. Sie sahen jung aus. Dynamisch, modern. Bis einer
von ihnen ein Magengeschwür bekommen würde oder einen ersten Infarkt. Für
solche Manager gab es dann auch die passenden Kliniken zwecks Instandsetzung,
diskret natürlich.
Ihre Mutter kam mit einem Glas Wasser zurück. Berenike trank gierig.
Auf dem Tisch lag eine Werbekarte. Intuitiv sich anpassende Matratzen wurden
gepriesen, die man testen könne. »Ja, weißt du, Berry, ich mit meinen
Kreuzschmerzen, das wär …«
»Ein Holler. Betrug ist so was!«
»Meinst du wirklich?«
»Ja.«
»Ich dachte, du bist doch sonst auch für alternative
Sachen …«
»Glaub mir, es ist Humbug.«
»Na gut, ok.« Rose nahm einen Schluck Bier. Berenike starrte
einer Fliege nach, die um den altmodischen Luster sirrte.
»Wie geht es dir, Berenike?«
Beim Blick auf das Theater war ihr etwas eingefallen. In
ihrem alten Zimmer, dessen Fenster zur Piaristengasse gingen, fahndete sie im
Einbauschrank, hell furniert, nach den Videos von ihren Auftritten. Sie fand
nur ›L’Enfer, c’est les Autres‹, natürlich von Satre, sie hatten halb Deutsch,
halb Französisch gespielt.
»Mama, wo sind meine Aufnahmen vom Theater?« Sie kramte
weiter. Zeitschriften, die sie nicht kannte. Pullover in Grün und Orange,
längst zu klein.
»Die hat, glaub ich, deine Schwester mitgenommen.«
»Wie bitte?«
»Selene hat gesagt«, Rose war ihr mit der Bierflasche in der
Hand gefolgt, »sie hat gesagt, jetzt wo alles VD, äh, DV, DVD ist, hat sie
gesagt, bekommt man leere Videokassetten so schwer zu kaufen.«
»Du hast ihr meine Bänder zum Überspielen gegeben?«
»Ich dachte, du brauchst sie nicht mehr.«
Jetzt war Berenike so heiß wie vorher. Sie stampfte ins Bad.
Schnappte sich ein frisches Badetuch. Zupfte ihren grün-roten Bikini aus der
Reisetasche.
»Ich gehe schwimmen!«
»Mhm, hm«, Rose Roither drehte die Flasche in der Hand hin
und her. »Bleibst nicht da?«
»Ich muss mich abkühlen.«
»Hm.« Wie die Mutter die Bierflasche an die Lippen setzte,
hatte noch nie zu ihr gepasst. »Triffst du am End d-deinen Vater?«
»Nein. Zumindest nicht jetzt.« Rose glaubte ihr sowieso
nicht. »Bis später, Mama.«
Auf der Donauinsel waren auch bei dieser
Affenhitze Menschenmassen. Überall glückliche Familien, die ihre Freizeit
genossen. Und laut war es! Berenike suchte sich ein etwas abgelegenes Plätzchen
und zog sich um. Vorsichtig tastete sie sich die vermoosten Steinstufen
hinunter ins Wasser. Die Donau stank schlammig, verwest. Wenn nur keine
Leiche …
Stop it! Das waren jetzt nur ihre überreizten Nerven. Vorhin
war sogar teures Porzellan zu Bruch gegangen, weil sie ihrer Mutter in der
Küche helfen wollte. Ein Automatismus, gewissermaßen. Die Tasse gehörte zu dem
Service von Uroma Felicitas. Ein Hochzeitsgeschenk für Rose hatte es werden
sollen. Nur nicht für eine Verehelichung mit Fred. Rose hatte
stattdessen – Skandal! – unverheiratet mit Fred zusammengelebt.
Irgendwann war das Kaffeeservice trotzdem im Löwenhof gelandet. Die Uroma wird
nicht gewusst haben, wohin sonst mit dem düsteren Zeug. Dass Rose es überhaupt
noch verwendete! Felicitas Roither hatte die Familie nach oben gebracht. Mit
harter Arbeit, wie man gern betonte. Davon profitierte der Sohn, Karl. Und Rose
sowieso. Auch in der schlechten Zeit. Niemand aus der Family verstand, dass
Berenike dem Karrierewahnsinn den Rücken gekehrt hatte. Die Wohnung mit
Terrasse, die Designer-Kleidung, das alles sollte nichts gelten? Alles wegen
eines Burn-outs? Dabei war man nicht müde geworden, ihr von klein auf
einzutrichtern, worauf es ankam: Ordentlichkeit. Funktionieren. Dann gab es
auch den Lohn.
Berenike hatte sich nach einer Theaterlaufbahn gesehnt, seit
sie sich das erste Mal verkleidet hatte. Ein unsicherer Beruf, die
Schauspielerei. Nur der echte, große Erfolg hätte gezählt. Deshalb der andere
Weg. Berenike hatte viele Seiten Spiritual Writing gebraucht, um diese
Zusammenhänge zu erkennen – und sich vom Erfolgsdruck zu befreien. Aus
heutiger Sicht war es kein Wunder, dass sie zusammengebrochen war, so leer, wie
sie sich jahrelang gefühlt hatte.
Und dann war nur mehr der Gedanke an das Wasser. Der
Hochwasserschutz brachte die Entlastungsrinne als riesiges Planschbecken mit
sich. Besser
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