Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Kamerad, aber ich nicht.« Es war indes zu spät zu dieser Antwort.
Von den Tischen brachten es nun alle Buben und Mädchen unserm Aloys zu, er mußte aus jedem Glas trinken, aber es schmeckte ihm Alles wie Galle so bitter. Er setzte sich dann auch an den Tisch und ließ sich eine »Bouteille vom Besten« geben, und obgleich es ihm nicht schmeckte, trank er doch ein Glas nach dem andern. Die Mechtilde, die Tochter seines Vetters, des Mathes vom Berg, stand nicht weit von ihm; er brachte es ihr zu. Das Mädchen that ihm herzlich Bescheid und blieb bei ihm stehen, denn es kümmerte sich niemand um sie, sie hatte keinen Schatz und darum heute noch keinen Reihen getanzt, da jeder fast fort und fort mit seinem Schatze tanzte oder mit der Gespielin des Schatzes und dem Schatz eines andern wechselte. Aloys fragte:
»Mechtilde, möchtest du nicht auch tanzen?«
»Ja, komm', wir wollen einmal.« Sie faßte Aloys bei der Hand, er stand auf, zog seine Handschuhe an, schaute sich nochmals um, als suche er Etwas, und tanzte dann so flink, daß alle staunten. Aus Höflichkeit bot Aloys nach dem Tanze der Mechtilde Platz neben sich an; er lud sich damit eine Last auf, denn sie blieb nun den ganzen Abend bei ihm sitzen. Er kümmerte sich indes wenig um ihre Unterhaltung, er schob ihr nur bisweilen das Glas hin, daß sie trinken solle. Die Zornesblicke des Aloys waren fast immer auf den Jörgli geheftet, der sich nicht weit von ihm gesetzt hatte. Als man denselben fragte, wo das Marannele sei, sagte er, es sei »unbaß«, und lachte dabei. Aloys biß so mächtig auf seine Pfeife, daß ihm ein Gelenk der Spitze im Munde blieb, er spie es mit Pfui! aus; der Jörgli sah ihn wütend an, denn er glaubte, das Pfui gelte ihm. Als aber Aloys ruhig blieb, zuckte Jörgli nur verächtlich mit den Achseln und begann allerlei Schelmenlieder zu singen. Sie hatten meist einerlei Weisung und fast alle nur ein Gesätz, wie:
Und a lustiger Bua
Verreißt allbot 13 e Paar Schua;
Und a trauriger Narr
Der hot lang am e Paar.
Es war schon bald nach Mitternacht, als Aloys wiederum seinen Säbel von der Wand nahm und nach Hause gehen wollte. Da sang der Jörgli mit seinen Kameraden das Fopplied, sie schlugen dabei mit den Fäusten auf den Tisch:
Hoan 14 , hoan, hoan gang i net,
Wer will schaun hoame gaun 15 ,
Der muaß koan Geld mei haun 16 ;
Hoan! hoan! hoan gang i net.
Aloys kehrte nochmals mit einigen seiner Kameraden um und ließ sich noch zwei Flaschen Wein geben. Sie sangen nun andere Lieder drein, während Jörgli mit seinen Kameraden sang; Jörgli stand auf und rief: »Halt's Maul, Tolpatsch.« Da ergriff dieser eine volle Flasche und warf sie dem Jörgli in's Gesicht, darauf sprang er über den Tisch und packte ihn an der Gurgel, die Tische fielen um, die Gläser klirrten auf dem Boden, die Musik hielt ein, eine Weile war Alles still, es war, als wollten sich die beiden Kämpfenden still erwürgen; dann aber entstand wieder allgemeines Hallo, Pfeifen, Schreien und Toben untereinander. Die Freunde wehrten ab, indes nach einer alten Bauerntaktik hielten sie beim Abwehren nur den Gegner ihres Freundes fest, damit dieser um so tüchtiger drauf klopfen konnte. Die Mechtilde aber riß den Jörgli so wacker am Kopf, daß sie ihm ein ganz Büschel Haar ausraufte. Stuhlbeine wurden nun abgeknickt, die Parteien, die sich um die beiden Kämpfenden gebildet hatten, zerbläuten einander nach Herzenslust. Aloys und Jörgli aber hielten sich, wie wenn sie sich in einander verbissen hätten. Endlich nach langem Ringen hob sich Aloys in die Höhe und warf den Jörgli auf den Boden, daß man meinte, er hätte das Genick gebrochen, dann kniete er auf ihn nieder, und es war, als ob er ihn erdrosseln wollte. Der Dorfschütz trat ein und machte dem Lärmen ein Ende. Die Musik mußte nun für heute aufhören, die beiden Hauptkämpfer mußten in das Gefängniß des Rathhauses wandern. –
Mit einem zerrauften, blaumäligen Gesichte, bleich und abgehärmt, verließ Aloys des andern Tages das Dorf. Sein Urlaub war erst morgen zu Ende, aber was sollte er noch zu Hause? Er ging so gern wieder fort in's Soldatenleben, er wäre am liebsten in den Krieg gezogen. Der Schultheiß hatte ihm die Rauferei in den Paß geschrieben, Aloys ging einer harten Strafe entgegen. Er schaute sich nicht mehr um, er ging fort, ohne es zu wissen, und wünschte nie mehr wiederzukehren. Als er in Horb den Wegweiser nach Freudenstadt sah, von wo aus man nach Straßburg
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