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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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nicht da?«
    »Jesus Maria Joseph, ein Gendarm!« rief die Mutter.
    »Nein, ich bin's, Mutter,« sagte Aloys, und nachdem er wegen der niedrigen Thüre den Tschako abgenommen, ging er hinein und reichte der Mutter die Hand.
    Bald nach den ersten Begrüßungen äußerte die Mutter ihre Bekümmerniß, daß nichts mehr zu essen da sei, sie ging aber hinaus in die Küche und schlug ihm ein paar Eier ein. Aloys stand bei ihr am Herde und nun erzählte er Alles. Er fragte nach Marannele, und warum sein Bild noch draußen hänge. Die Mutter erwiderte: »Ich bitt' dich, ich bitt' dich, schlag dir das Marannele aus dem Sinn, das ist ein keinnütziges Ding.«
    »Mutter, redet mir nimmer davon, ich weiß, was ich weiß,« sagte der Aloys; sein vom Feuer aus dem Herde roth über'schienenes Antlitz hatte einen gewaltigen trotzigen Ausdruck. Die Mutter schwieg, und in die Stube zurückgekehrt, sah sie mit Herzensfreude, was ihr Aloys für ein prächtiger Bursch geworden war. Jeden Bissen, den er schluckte, schmeckte sie ihm in ihrem leeren Munde nach; den Tschako aufhebend, jammerte sie über seine grausame Schwere.
    Des andern Morgens stand der Aloys früh auf, fummelte seinen Tschako, putzte das Behäng am Säbel und die Knöpfe, mehr als wenn er zur Ordonnanz gemußt hätte. Als es zum erstenmal zur Kirche läutete, stand er fix und fertig da; als es zum zweitenmal zusammenläutete, ging er das Dorf hinein.
    Auf dem Wege hörte er zwei Buben mit einander reden.
    »Ist das nicht der Tolpatsch?« sagte der eine.
    »Nein, er ist's nicht.«
    »Ja, er ist's,« sagte der Erste wieder.
    Aloys schaute die Buben grimmig an, und sie rannten mit ihren Gesangbüchern davon. Aloys schritt, von allen Kirchgängern freundlich begrüßt, der Kirche zu. Er kam vor dem Hause Marannele's vorbei, niemand schaute heraus, er ging den Berg hinan, oft zurückschauend, und trat, als es eben zum drittenmal läutete, in die Kirche. Er zog seine weißledernen Handschuhe aus und besprengte sich mit Weihwasser. Er blickte überall in der Kirche umher, er sah nirgends das Marannele, er blieb an der Thüre stehen, auch unter den Ankömmlingen war es nicht. Der Gesang begann, die Stimme Marannele's war nicht darunter; er hätte sie ja aus Tausenden heraus erkannt. Was nützte ihn nun das Staunen aller? Sie sah ihn ja nicht, für sie allein war er den weiten Weg gerannt und stand er da, so fest und stramm wie gegossen. Als aber nach der Predigt der Pfarrer die Marianne Bomüller von hier und den Georg Melzer von Wiesenstetten als Brautpaar verkündete, da stand der Aloys nicht mehr da wie gegossen, da zitterten seine Kniee und seine Zähne klapperten. Aloys war der erste aus der Kirche. Er rannte über Hals und Kopf nach Haus, warf Säbel und Tschako auf den Stubenboden und versteckte sich im Heu und weinte. Ein Mal über das Andere kam ihm der Gedanke, sich zu erhängen, aber er konnte nicht aufstehen vor Wehmuth und Weinen; alle seine Glieder waren ihm wie zerschlagen, und dann dachte er auch wieder an seine Mutter, und dann weinte er wieder und schluchzte wieder.
    Die Mutter kam endlich und fand ihn im Heu, sie tröstete ihn und weinte mit. Er erfuhr nun, daß der Jörgli das Marannele verführt hatte, und daß es hohe Zeit sei, daß sie zusammengegeben würden. Er weinte von neuem, dann aber folgte er seiner Mutter wie ein Lamm in die Stube. Als er hier seines Bildes ansichtig wurde, riß er es von der Wand und schmetterte es auf den Boden. Lange saß Aloys dann hinter dem Tische und hielt sich das Gesicht mit beiden Händen bedeckt, endlich stand er aus, pfiff ein lustiges Lied und ließ sich zu essen geben; er konnte aber nicht essen, er zog sich an und ging in das Dorf. Die Nachmittagskirche war vorüber, aus dem Adler tönte die Musik zu ihm herab. Die Augen niederschlagend, gleich als müßte er sich schämen, ging er an des Jakoben Haus vorbei; als er aber vorüber war, hob er seinen Blick stolz empor. Nachdem er beim Schultheiß seinen Urlaubspaß abgegeben, ging er nach dem Tanzboden. Er schaute überall umher, ob Marannele nicht da sei, und doch wäre ihm nichts unlieber gewesen als das. Der Jörgli aber war da; er trat auf Aloys zu, reichte ihm die Hand und sagte: »Grüß Gott, Kamerad!« Der Aloys sah ihn an, als ob er ihn mit seinen Blicken vergiften wollte; dann drehte er sich um, ohne ihm eine Hand oder Antwort zu geben. Er dachte jetzt, daß es eigentlich gescheiter gewesen wäre, wenn er gesagt hätte: »Was Kamerad! der Teufel ist dein

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