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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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– »Gewiß nicht,« betheuerte sie, und er sagte: »So, jetzt bin ich fertig, aber halt – komm, gib mir auch einen Kuß.« Marannele küßte ihn, und die Kühe und Ochsen sahen verwundert zu, als wüßten sie, was vorging.
    Aloys klopfte nun noch jeder Kuh und jedem Ochsen auf den Bug und nahm so auch Abschied von ihnen; sie brummten vor sich hin.
    Der Jörgli hatte seine Pferde an den Wagen gespannt, um die Rekruten einige Stunden weit zu führen, und so fuhren sie nun singend durch das Dorf; des Bäckers Konrad, der die Klarinette blies, saß mit auf dem Leiterwagen und begleitete die Liederweisen. Man fuhr im Schritt. Von allen Seiten drängten sich noch die Freunde herbei und reichten eine Hand oder auch einen Abschiedstrunk.
    Das Marannele schaute zum Fenster heraus und grüßte noch freundlich. Man näherte sich dem Ende des Dorfes, und nun wurde nochmals »das Gesätz« gesungen:
     
    'Naus, 'naus, 'naus und 'naus,
    Zum Nordstetter Thörle 'naus etc.
     
    Als man aber das Dorf verlassen hatte, wurde der Aloys plötzlich mäuschenstille. Er schaute mit nassen Augen überall umher; hier neben auf der Heide, »Hochbux« genannt, hatte das Marannele das Tuch gebleicht, von dem er das Hemd anhatte; es war ihm, als ob alle Fäden brennten, so heiß war es ihm. Er sagte allen Bäumen an der Straße und allen Feldern wehmüthig Ade. Drüben im Schießmauernfeld, dort liegt sein bester Acker; er hat ihn so oft »umgezackert«, daß er jedes Steinchen kennt. Dort neben hat er noch vorigen Sommer mit dem Marannele Gerste geschnitten, weiter unten im »Hennebühl« liegt sein Kleeacker, er hat ihn gesäet, er sollte ihn nicht wachsen sehen. So schaute Aloys lange umher, und als man die Steige hinabfuhr, blickte er vor sich hin und sprach kein Sterbenswörtchen. Als man über die Brücke fuhr, starrte er hinab in den Fluß; wer weiß, ob er jetzt noch so keck seinen Glückskreuzer hinabgeworfen hätte? –
    Durch die Stadt ging zwar das Singen und Johlen wieder von neuem an, aber erst als man jenseits auf der Spitze der Bildechinger Steige angekommen war, da athmete Aloys wieder frei auf: vor ihm stand ja sein liebes Nordstetten, man meinte, man könnte hinüberrufen, so gleichauf lag es mit dem Berge, obgleich es fast eine Stunde fern war. Er sah das gelb angestrichene Haus des Schmieds Jörgli mit den grünen Läden, und zwei Häuser davon wohnte das Marannele. Er schwenkte seine Mühe und begann nochmals.
     
    'Naus, 'naus, 'naus und 'naus etc.
     
    Der Jörgli führte die Rekruten bis Herrenberg, von dort an gingen sie zu Fuß. Beim Abschied fragte Jörgli den Aloys: »Soll ich nichts ausrichten ans Marannele? –«
    Aloys schoß alles Blut in den Kopf. Der Jörgli war ihm gerade der unrechteste Botenmann, und doch hatte er eben den Mund geöffnet, um einen Gruß zu sagen. Unwillkürlich aber brach er in die Worte aus: »Du brauchst gar nichts mit ihm zu schwätzen, es kann dich auch für den Tod nicht ausstehen.«
    Der Jörgli fuhr lachend davon.
    Unterwegs hatten die Rekruten noch ein bemerkenswerthes Abenteuer: sie zwangen nämlich im Böblinger Walde einen Holzbauern, sie den zwei Stunden langen Weg zu fahren; Aloys war der Aergste dabei; er hatte den Jörgli so oft von verwegenen Soldatenstreichen erzählen hören, und er wollte auch so sein. Er war aber auch der erste, der am Ende des Waldes seinen ledernen Beutel öffnete und dem wieder umkehrenden Bauern Etwas gab.
    Vor dem Tübinger Thore wurden die Ankömmlinge von einem Feldwebel in Empfang genommen. Mehrere Nordstetter Soldaten waren ihren Landsleuten entgegengegangen; der Aloys biß die Zähne übereinander, als sie alle: »Grüß Gott, Tolpatsch!« sagten. Das Johlen und Singen hatte nun ein Ende, still wie eine Herde Schafe wurden die Rekruten in die Legionskaserne geführt. Aloys sagte seinen Landsleuten, daß er als Freiwilliger zur Kavallerie gehen wolle, denn er wollte es dem Jörgli nachmachen. Als er aber hörte, daß er dann wieder nach Hause müsse, da das Exerzieren der Kavallerie erst im Herbste beginne, da dachte er: »Nein, das geht nicht, ich muß als ein ganz anderer Kerl heimkommen, dann soll mir noch einer Tolpatsch sagen, ich will euch schon tolpatschen.«
    Aloys wurde nun in das fünfte Infanterieregiment eingereiht, er war gegen alle Erwartung anstellig und gelehrig. Leider hatte er auch hier ein Mißgeschick, denn er bekam einen Zigeuner als seinen »Schlaf« 11 . Der Zigeuner hatte einen absonderlichen Widerwillen vor dem Wasser.

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