Schwarzwaelder Dorfgeschichten
drang, und dadurch hörte das Bluten des Fingers auf.
Der Erath kam, und dem Hansjörg wurde nun der Finger abgenommen. Er hielt sich bei dem grausamen Schmerze wie ein Held. Als er schon einige Stunden darauf im Wundfieber lag, war es ihm, als ob ein Engel zu ihm heranschwebte und ihm Kühlung zuwehte. Er wußte es nicht, daß das Kätherle ihm die Fliegen abwehrte und dabei oft ganz nahe an seinem Gesichte auf- und abfuhr; es kann eine solche Nähe – wenn auch nicht eigentliche Berührung – einer liebenden Hand eine magische Wirkung in dem andern hervorrufen, und diese kann sich wohl in unserm Hansjörg als eine solche Traumgestalt gebildet haben. Dann erschien dem Hansjörg im Traume wieder eine ganz verhüllte Gestalt; er konnte sich nachher nicht mehr recht erinnern, wie sie aussah, und – so sonderbar sind die Träume – die Gestalt hatte einen losen Finger im Munde und schmauchte damit Tabak, als ob es eine Pfeife wäre, so daß die blauen Wölkchen sich aus duftigen Ringen ausbreiteten.
Kätherle bemerkte, daß die geschlossenen Lippen Hansjörgs sich im Schlafe mehrfach auf und nieder bewegten. Als er erwachte, war das erste, was er verlangte: seine Pfeife. Hansjörg hatte die schönste Pfeife im ganzen Dorfe, und wir müssen sie näher betrachten, denn sie ist ein Hauptstück in unserer Geschichte. Es war ein Ulmer Maserkopf, dessen braune Marmorierungen die wunderlichsten Figuren bildeten, so daß man sich allerlei hineindenken konnte. Der silberne Deckel war wie ein Helm geformt und so blank, daß man sich drin spiegeln konnte und noch den Vortheil hatte, daß man sein Gesicht doppelt, und zwar zu unterst und zu oberst, darin sah. Auch an der untern Kante sowie am Stiefel war der Pfeifenkopf mit Silber beschlagen. Ein doppeltes silbernes Kettchen mit einem Sprungringe diente statt der Schnur und hielt das kurze Rohr mit der langen, vielgelenken, krummen Mundspitze.
War diese Pfeife nicht schön, und hatte Hansjörg nicht recht, daß er sie liebte, wie ein Held des Alterthums seinen Schild?
Das erste, was Hansjörg bei dem Verluste seines Fingers ärgerte, war das, daß er sich nun schwer mehr werde eine Pfeife stopfen können. Das Kätherle lachte und schalt ihn aus über seine Liebhaberei, aber es stopfte ihm doch eine Pfeife, holte eine Kohle und that sogar selbst ein paar Züge; es schüttelte sich aber und machte ein Gesicht, als ob es sich furchtbar davor ekle. Dem Hansjörg hatte aber noch nie eine Pfeife so gut geschmeckt als die, welche das Kätherle vorher im Munde gehabt hatte.
Trotzdem es heißer Sommer war, durfte der Hansjörg mit seiner Wunde nicht nach Hause gebracht werden; er mußte also bei dem Ziegler bleiben. Das war unserm Patienten sehr recht. Obwohl seine Eltern kamen, um ihn zu verpflegen, wußte er doch, daß schon Zeiten kommen würden, wo er mit dem Kätherle allein sein werde.
Andern Tages war des Maurers Wendel Hochzeit, und als es zur Kirche läutete, pfiff der Hansjörg den unabänderlich wiederkehrenden Hochzeitsmarsch, der jetzt drinnen im Dorfe gespielt wurde, auf seinem Bette nach.
Nach der Kirche zog die Musik im Dorfe umher und spielte vor den Häusern, in denen die schönsten Mädchen waren, oder solche, die Schätze hatten. Die Burschen und Mädchen schlossen sich dann dem Zuge an, der, je weiter er kam, sich immer mehr vergrößerte; sie kamen auch vor des Zieglers Haus. Der Fideli kam, als »Gespiele« Hansjörgs, mit seinem Schatz herauf, um statt des Verwundeten das Kätherle mit zum Tanze zu nehmen; dieses aber dankte, schützte Arbeit vor und blieb daheim. Der Hansjörg war hierüber hoch erfreut, und als sie allein waren, sagte er:
»Kätherle, gräm' dich nicht, es gibt bald wieder eine Hochzeit, und da wollen wir zwei rechtschaffen mit einander tanzen.«
»Eine Hochzeit?« fragte das Kätherle betrübt, »ich wüßt' nicht, von wem.«
»Komm 'mal her,« sagte Hansjörg lächelnd; das Kätherle trat näher, und er fuhr fort: »Ich will dir's nur gestehen, ich hab' mir den Finger mit Fleiß abgeschossen, damit ich kein Soldat zu werden brauch'.«
Das Kätherle fuhr zurück, schrie laut auf und bedeckte sich mit der Schürze das Angesicht.
»Warum schreist du?« fragte Hansjörg, »ist dir's denn nicht recht? Es muß dir recht sein, denn du bist daran schuld.«
»Jesus Maria Joseph! nein, gewiß nicht, ich bin daran unschuldig. O du lieber Heiland, was hast du für eine Sünd' gethan, Hansjörg! Du hättest dich ja auch todt schießen
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