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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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geht, hielt er eine Weile still, er gedachte nach Frankreich zu desertieren. Da grüßte ihn unversehens Mechtilde und fragte: »Ei, Aloys, gehst du schon wieder nach Stuttgart?«
    »Ja,« antwortete dieser und schlug den Weg dahin ein. Die Mechtilde war wie ein Wegweiser vom Himmel erschienen. Mit einem freundlichen »B'hüt Gott« schied er von ihr.
    Auf dem Wege summte ihm immer das Lied im Kopfe, das der Jörgli einst zuerst gesungen hatte; jetzt konnte es der Aloys auch singen, und jetzt paßte es erst ganz auf das Marannele. Er summte immer, ohne daß er es wußte, vor sich hin:
     
    Ach wie bald, ach wie bald
    Schwindet Schönheit und Gestalt.
    Thust du stolz mit deinen Wangen,
    Die wie Milch und Purpur prangen,
    Ach, die Rosen welken all'.
     
    In Stuttgart angelangt, sprach er nicht mehr mit der Wache am Tübinger Thor und der an der Kaserne, er schaute wie ein Verbrecher kaum auf. Acht Tage mußte er im »dritten Grad«, in einem finstern Gefängnisse, seine Rauferei abbüßen. Oft war er so ungeduldig und wild, daß er sich an der Wand den Kopf entzweirennen wollte, dann aber lag er wieder fast Tag und Nacht im halben Schlaf.
    Als er aus dem Gefängnisse kam und auf sechs Wochen in die Strafklasse eingereiht wurde, die sich keine Stunde von der Kaserne entfernen darf, sondern immer zum Appell bereit sein muß, da verfluchte er seinen Vorsatz, daß er zum Militär gegangen war und sich so noch auf sechs Jahre an die Heimath gebunden hatte. Er wäre gern fort, fort, so weit als es ging.
    Da kam eines Tages Mutter Marei mit einem Briefe von ihrem Mathes aus Amerika. Er hatte vierhundert Gulden geschickt, damit sich der Aloys einen Acker kaufe, oder, wenn er zu ihm wolle, sich mit dem Gelde vom Militär losmache.
    Der Aloys, der Mathes vom Berg mit seiner Frau und seinen acht Kindern, darunter auch die Mechtilde, wanderten noch diesen Herbst gemeinschaftlich nach Amerika aus.
    Als Aloys auf der See war, da summte er oft die Strophe des allbekannten Liedes vor sich hin, er verstand sie erst jetzt recht:
     
    »Das, das, das und das,
    Das Schifflein hat den Lauf;
    Der, der, der und der,
    Der Schiffmann steht schon d'rauf,
    Spür' ich einen rechten Sturmwind weh'n,
    Als wollt' das Schiff zu Grunde geh'n,
    Da stehen meine Gedanken
    Zu wanken.«
     
    In seinem letzten Briefe, vom Ohio, schreibt der Aloys an seine Mutter:
    » ... Es drückt mir oft schier das Herz ab, daß ich all das viele Gut so allein genießen soll. Ich wünsch' mir oft ganz Nordstetten herbei: den alten Zahn, das blinde Konradle, das Schackerle von der Steingrub, den Soges, den Sauerbrunnenbasche und das Maurizele vom Hungerbrunnen, die sollten sich alle bei mir satt essen, bis sie nimmer weiter können. Was hab' ich davon, wenn ich so allein da bin? Da könntet ihr dann auch sehen, wie der Tolpatsch jetzt seine vier Ross' im Stall und zehn Fohlen im Felde hat. Wenn's dem Marannele nicht gut geht, schreibet mir's auch, ich will ihm was schicken; es darf aber nichts davon erfahren, von wem es ist, es dauert mich in's Herz hinein. Der Mathes vom Berg wohnt eine Stund' von mir. Die Mechtilde ist eine tüchtige Schafferin, aber sie ist doch kein Marannele. Wenn es ihm nur auch gut geht. Hat es schon Kinder? Auf der Ueberfahrt ist auch ein gestudierter Landsmann, der Doktor Stäberle von Ulm, bei uns gewesen, der hat mir an einer Weltkugel gezeigt, daß, wenn in Amerika Tag, es in Nordstetten Nacht ist, und so umgekehrt; ich hab' nicht mehr daran gedacht, aber jetzt, wenn ich als im Feld bin und so denk: was machen sie denn jetzt in Nordstetten? da fällt mir's ein: Potz Blitz, die schlafen ja jetzt, und des Schackerle's Hannes, der Nachtwächter, ruft sein: ›B'hüt uns Gott und Maria.‹ Am Sonntag ist mir's am ärgsten, daß in Nordstetten jetzt Samstag zu Nacht ist. Das sollt' nicht sein, es sollt' Alles einen Tag haben. Am letzten Sonntag haben wir aber doch beim Mathes auf dem Berg getanzt, da war ja Kirchweih in Nordstetten. Ich vergess' das nie, und wenn ich hundert Jahr alt werde. Ich möcht' nur auch einmal wieder eine Stund' in Nordstetten sein, da wollt' ich auch dem Schultheiß zeigen, was ein freier Bürger von Amerika ist.«
     
Fußnoten
     
    1 Pelzverbrämte rothe Mütze ohne Schild, mit einer Troddel von Golddraht in der Mitte.
     
    2 Bartholomäus Sebastian.
     
    3 Spinnrocken.
     
    4 Lasset.
     
    5 d.i. die Holzfaser aus dem Hanf.
     
    6 Nachher wollt.
     
    7 Schwäbische Mehlspeise.
     
    8 Ein Ring von beinhartem Holz oder

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