Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Unterthanen.
»Woher ist das Paar Stromel?« fragte Ivo.
»Nicht wahr?« sagte der Algierfeind, »denen sieht man's an, daß sie aus einem guten Stall kommen, die sind auf dem Schramberger Markt vom Buchmaier gekauft worden.«
Ivo sprang zu den Thieren und erkannte seinen Stromel alsbald an den aufgesträubten Haaren mitten auf der Stirne, es war ihm, als habe er gleiches Schicksal mit dem Thiere und ginge er gleich ihm dem Tode entgegen, aber er konnte und wollte nicht mehr zurück.
Wie erstaunte aber Ivo, als, zu Neustadt angelangt, die Treiber ihren Herrn begrüßten, der zum Fenster des Wirthshauses herausschaute, und Ivo den Florian in ihm erkannte. Er wollte seinen Augen kaum trauen, bis Florian auf ihn zukam und mit unbändigem Gelächter den sonderbaren Ochsentreiber bewillkommte.
Ivo erzählte nun Alles, und Florian schrie, auf den Tisch schlagend: »Noch eine Bouteill'! Brav, das ist recht, ich helf' dir durch, du hast meine Parole. Narr, ohne Paß kommst du nicht auf Straßburg, da,« er schlüpfte behend aus seinem blauen Ueberhemde, »zieh das an, da wird dich jeder für einen Straßburger Metzger halten, und,« setzte der Schelm hinzu, seine schwere Geldkatze aufhebend, »die tragst du auf der Achsel, die macht dich ferm zu Einem von uns.«
Ivo ließ sich Alles gern gefallen und zog, nachdem er sich sattsam gestärkt hatte, wohlgemuth mit Florian weiter. Florian war seinerseits froh, viel von seinem angesehenen Leben erzählen und den Nordstettern einen Schabernack spielen zu können; dabei half er aber auch dem Ivo von Herzen gern.
Es war ein heißer Tag, oben an der Höllsteig wurde Mittag gemacht. Florian setzte dem Ivo mit Trinken sehr zu, so daß dieser sich eine Weile von ihm loszumachen suchte. Er ging in die Schmiede neben dem Wirthshause und unterhielt sich mit dem Meister, es heimelte ihn hier wiederum so an, wie ehedem zu Hause. Plötzlich gedachte Ivo, daß hier der Ort und dieß der Mann sei, bei dem sich einst Nazi verborgen; eben wollte er nach ihm fragen, als der Schmied zu seinem Jungen sagte:
»Da, trag die zwei Pflugeisen 'nüber zum Beßtebuur.«
»Wie weit ist das?« fragte Ivo.
»Eine gute Viertelstund'.«
»Ich geh' mit,« sagte Ivo, sprang in das Wirthshaus, sagte Florian, daß er bald wiederkäme, und er würde ihn schon wieder einholen; dann legte er das Ueberhemd ab und nahm sein Waldhorn unter den Arm.
In Begleitung des Jungen ging er nun über die Wiese den Waldsteig hinab. Drunten rauschte der Bach und klapperten die Mühlen; Ivo war's, als müßte hinter jedem Baum sein Nazi hervortreten, er fragte den Jungen:
»Ist der Beßtebuur ein braver Mann?«
»Ja, bräver weder sein Bruder, wo gestorben ist.«
»Wie heißt denn der jetzige Beßtebuur mit seinem Taufnamen?«
»Das weiß ich nicht, er heißt halt der Beßtebuur; er ist in vielen Ländern gewesen als Knecht und als Doktor.«
Ivo jauchzte hoch auf, hierher hatte ihn der Finger Gottes geführt.
»Seit wann ist denn der Beßtebuur da?« fragte er wieder.
»Seit zwei Jahren. Er hat ein Jahr lang als Knecht bei seinem Bruder gedient, und da ist der gestorben, man sagt, er häb's ihm anthun, er ist ein halber Hexenmeister; er hat ihn auch schon vor vielen Jahren einmal umbringen wollen, und weil keine Kinder dagewesen sind, ist der Hof an ihn gefallen, er ist aber sonst ein braver Mann.«
Mit tiefer Trauer erfuhr Ivo, daß nun sein guter Nazi doch als Brudermörder gelten sollte, weil er einst die Sünde zu begehen getrachtet hatte, aber Ivo tröstete sich bald wieder mit Recht, daß dies nur ein Geschwätz neidischer und boshafter Leute sein könne.
Sie kamen an der Sägmühle vorbei, in welcher Nazi einen großen Teil seiner Jugend verlebt. Ivo freute sich besonders, daß auch hier, von der Bergwand geschützt, ein schöner Nußbaum stand, gerade wie zu Hause vor der Wohnung seiner Eltern.
Nun ging es rasch den andern Berg hinan. Ivo wußte zwar wohl, was eine nachbarliche Bauernviertelstunde zu bedeuten habe, aber daß es mehr als eine Stunde sei, hatte er doch nicht gedacht. Da er sehr eilte, nahm er dem Jungen die schweren Eisen ab, damit er gleichen Schritt mit ihm halte. Der Harzgeruch der sonnenbeschienenen Tannen erweckte in Ivo die Jugenderinnerungen immer lebendiger: er sah sich auf der Krippe neben seinem Nazi sitzen, er war draußen im Veigelesthäle – singend und jubelnd tanzten und sprangen alle die Bilder der Kindheit vor ihm her. Auf der Windeck angelangt, sah Ivo das ihm
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