Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Lisbeth beim Prokurator dient; die Magd eines Prokurators, dachte sie, wird schon leicht Rath wissen, lauft ja Alles zu ihrem Herrn, wenn es nicht mehr weiß, wo aus noch ein. Nach vielem Umherfragen fand Emmerenz die Lisbeth, diese wußte aber keinen Rath und trug den schwierigen Fall dem Knechte vor. Der Knecht, schnell überrechnend, daß ein Mädchen, das einen katholischen Geistlichen heimlich sprechen wolle, nicht heikel sein möge, sagte: »Komm Sie mit, ich will's Ihr zeigen.« Er versuchte es, seinen Arm um den Hals der Emmerenz zu schlingen, Emmerenz schlug ihm aber auf die Brust, daß es laut dröhnte. Etwas von »holzigen Schwarzwäldern« brummend, ging der Knecht von dannen.
»Weißt du was?« sagte nun Lisbeth, die gescheite Advokatenmagd, »bleib ein' Stund da, bis es zusammenläutet und man in die Kirch' geht, in der Kirch' setzst du dich links vorn hin, und da siehst du den Ivo oben auf dem Empor, dann gibst ihm ein Zeichen, daß er nach der Kirch zu dir 'rauskommen soll.«
»In der Kirch'?« sagte Emmerenz, laut die Hände zusammenschlagend, »Jesus Maria Joseph! Du bist aber recht verdorben in der Stadt. Lieber thät' ich unverrichteter Sach wieder heimgehen.«
»Nu, so hilf dir anders, du Scheinheilige.«
»Das will ich auch,« sagte Emmerenz fortgehend. Sie begab sich nun geradeswegs in das Kloster, ließ sich beim Direktor melden und sagte aufrichtig, sie habe was mit dem Ivo zu sprechen.
»Bist du seine Schwester?« fragte der Direktor.
»Nein, ich bin nur die Magd im Haus.«
Der Direktor sah Emmerenz starr in das Gesicht, sie blickte ihn treuherzig an, keine Miene zuckte; der Direktor befahl dem Famulus, sie zu Ivo zu führen.
In einer Fenstervertiefung auf der langen gewölbten Hausflur wartete Emmerenz, bis Ivo herauskam; er schreckte ersichtlich zusammen, als er sie erblickte.
»Grüß Gott, Emmerenz, was machst du hier – es ist doch Alles wohl daheim?« fragte Ivo, nichts Gutes ahnend.
»Alles wohlauf, ich bin von der Mutter geschickt, viel tausend herzliche Grüß', und ich soll sagen, der Ivo braucht nicht Geistlich zu werden, wenn er's nicht von Herzen gern thut. Die Mutter kann nicht ruhen und rasten, sie meint, sie häb' ihm das Gemüth zu schwer gemacht, und er thät's ihr zulieb, und das bräucht' er nicht, und er wär' doch ihr lieber Sohn, wenn er auch nicht Geistlich wird und ... ja, das ist Alles.«
»Sei nur nicht so erschrocken, sprich herzhaft mit mir, gib mir deine Hand,« sagte Ivo, als eben einer seiner neugierigen Kameraden vorbeigehuscht war, »ich bin dir ja nicht so fremd, wir sind ja alte gute Freund', gelt?«
Nun erzählte Emmerenz mit wunderbarer Geläufigkeit, wie sie den Brief habe schreiben wollen und wie sie die Nacht durch zu ihm hergewandert sei; sie blickte manchmal zur Erde und drehte den Kopf, als suche sie etwas. Die Augen Ivo's ruhten mit tiefer Innigkeit auf ihr, und wenn ihre Blicke sich begegneten, erglühten die Wangen beider, aber ein jedes scheute sich vor dem andern, sie sagten sich nichts von dem, was ihre Seele bewegte. Als Emmerenz ihre Erzählung geendet, sagte Ivo: »Ich dank' dir von Grund des Herzens, es kann wohl einmal die Zeit kommen, wo ich dir deine Gutthat vergelten kann.«
»Das ist ja nicht der Red' werth. Wenn's zu deinem Besten wär', und du thätst sagen: lauf jetzt für mich nach Stuttgart zum König, ich thät mich nicht lang besinnen und ging' eben grad, es ist mir jetzt so ... so wie ...«
»Nun, wie denn?« fragte Ivo das stockende Mädchen.
»Wie ... wie wenn mir jetzt grad halt Alles gut ausgehen müßt'.«
Ohne ein Wort zu reden, standen die beiden eine Weile einander gegenüber, im Innersten aber wechselten sie die traulichsten Reden; endlich sagte Ivo, sich mit einem schweren Seufzer erhebend:
»Sag meiner Mutter, ich müss' mir das Alles noch überlegen, sie soll ruhig sein, schlecht werde ich nicht; sorg recht für sie und laß sie mit ihrem kranken Arm nicht zu viel schaffen. Nächst meiner Mutter bist du ... und der Nazi mir die liebsten Menschen auf der Welt.« Sowohl Ivo als Emmerenz blickten zur Erde bei diesen Worten, jener aber fuhr fort: »Hast nichts von Nazi gehört?«
»Nein.«
Ohne daß es die beiden merkten, war die ihnen zugemessene Zeit vorübergegangen, es läutete. »Du gehst doch auch in die Kirch'?« fragte Ivo.
»Ja, aber hernach muß ich tapfer machen, daß ich wieder heim komm'.«
»Wenn ich's machen kann, seh' ich dich noch einmal nach der Kirch', drunten in der
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