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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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können; nein, du bist ein wilder Mensch, mit dir möcht' ich nicht hausen, ich hab' Angst vor dir.«
    Kätherle wollte ihm entfliehen, aber Hansjörg hielt es noch mit der linken Hand fest. Es stand da, riß unwillig, wendete ihm den Rücken zu und kaute an einem Ende der Schürze; der Hansjörg hätte Alles in der Welt drum gegeben, wenn es ihn nur einmal angesehen hätte, aber all sein Bitten und Flehen war umsonst. Er ließ nun los und wartete eine Weile, ob es sich nicht umkehre; als es aber immer stumm und abgekehrt blieb, da sagte er mit zitternder Stimme: »Willst du nicht so gut sein und meinen Vater holen? Ich will heim.«
    »Nein, das darfst du nicht, du könntest ja den Hundskrampf kriegen, hat der Erath gesagt!« erwiderte das Kätherle, noch immer abgekehrt.
    »Wenn du Niemand holst, so geh' ich allein,« sagte Hansjörg.
    Das Kätherle drehte sich um und sah ihn an mit thränenden Augen, aus denen alle Bitten und alle Mächte der liebenden Besorgniß hell leuchteten. Hansjörg faßte des Kätherle's Hand, sie war fieberheiß, und er schaute lange in das Antlitz seines Mädchens. Es war nicht so, was man eigentlich schön nennt, es war derb und kräftig; das Antlitz sowie der ganze Kopf hatte eine fast kugelrunde Bildung, die Stirn war hochgewölbt, beinahe wie ein Halbkreis, die Augen lagen tief in der Biegung, die kleine Stumpfnase, die etwas Neckisches und Uebermüthiges aussprach, die runden vollen Wangen, Alles verrieth gesundes, frisches Leben. Hansjörg betrachtete die Hocherglühende, wie wenn sie die Allerschönste gewesen wäre.
    So hielten sie sich lange und sprachen kein Wort; endlich sagte Kätherle: »Soll ich dir ein' Pfeif' stopfen?«
    »Ja,« sagte Hansjörg und ließ sie los.
    In dem Anerbieten Kätherle's lag der beste Ausspruch der Versöhnung; das fühlten beide, sie redeten darum kein Wort mehr von ihrem Streit.
    Gegen Abend kamen viele Burschen und Mädchen mit hochglühenden Wangen und freudestrahlenden Augen, um das Kätherle zum Tanz abzuholen; das aber wollte durchaus nicht mitgehen. Der Hansjörg lächelte vor sich hin. Als er aber das Kätherle bat, ihm doch den Gefallen zu thun und mitzugehen, hüpfte es freudig fort und kam bald darauf schön geputzt wieder.
    Nun war aber ein neuer Uebelstand. Trotz aller Gutmüthigkeit wollte doch keines vom Tanze weg und beim Hansjörg bleiben; da kam zu gutem Glück der alte Jockel, und für einen guten Schoppen, den man ihm vom Wirthshause schicken wollte, versprach er, wenn's nöthig wäre, die ganze Nacht da zu bleiben.
    Der Hansjörg hatte sich von dem Erath seinen Finger in einem mit Spiritus gefüllten Glase aufbewahren lassen, er wollte dieß dem Kätherle schenken; aber trotz seiner sonstigen Derbheit fürchtete sich das Mädchen davor, wie vor einem Gespenste, es wagte kaum das Glas anzurühren. Als nun der Hansjörg zum erstenmal das Haus verlassen durfte, gingen sie mit einander in den Garten vor dem Hause und begruben den Finger. Hansjörg stand sinnend dabei, als das Kätherle das Loch wieder zuschaufelte. Die Sünde gegen das Vaterland, die er durch seine Selbstverstümmelung begangen hatte, kam ihm nicht in den Sinn; dagegen erwachte in ihm der Gedanke, daß hier ein Teil der ihm von Gott verliehenen Lebenskraft eingescharrt werde, für die er Rechenschaft ablegen müsse. Er stand sozusagen lebendigen Leibes bei seinem eigenen Begräbnis, und der Vorsatz stieg in ihm auf, alle ihm noch gebliebenen Kräfte nach Pflicht und Gewissen treulich zu üben und anzuwenden. Ein Todesgedanke überschauerte ihn, und mit Wehmuth und Freude schaute er auf, sah sich lebend und neben sich sein geliebtes Mädchen. Solche Gedanken bewegten sich halb klar in seiner Seele, und er sagte: »Kätherle, ich seh's wohl ein, ich hab' mich schwer versündigt, und ich muß beichten; ich muß es bald vom Herzen haben, ich will gern jede Buße thun.«
    Kätherle umarmte und küßte ihn, und er genoß im voraus die seligste Absolution, wie sie eigentlich das wahrhaft reuige Gemüth, mit festem Vorsatze ausgerüstet, schon allein für sich empfinden muß.
    Sonntags darauf ging Hansjörg zur Beichte. Man hat nie erfahren, welche Buße ihm auferlegt wurde.
    Man sollte meinen, ein Mensch müsse einen besondern, geheimen Zug nach der Stelle hin haben, wo ein Stück seines lebendigen Daseins ruht. Wie uns das Vaterland doppelt heilig ist, weil die Gebeine unserer Lieben darin ruhen; wie uns die ganze Erde erst recht heilig wird, wenn wir bedenken, wie sich

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