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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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die Körper unserer Freunde und Mitmenschen mit ihrem Staube vermischen: so muß ein Mensch, von dessen eigenem unzertrennlichem Körper ein lebendiger Teil schon Erde geworden, sich von der unendlichen Macht der irdischen Heiligkeit angezogen fühlen und sich oft nach einem Teil seiner Ruhestätte hinwenden.
    Solche Gedanken, wenn auch eine dunkle Ahnung davon in unserm Freunde aufstieg, konnten jedoch wie natürlich bei einem Menschen, wie unser Hansjörg war, nicht lange haften. Er ging tagtäglich nach des Zieglers Haus, nicht weil ein Todtes, sondern weil das Leben, d.h. die Liebe zu Kätherle, ihn hinzog. Manchmal aber ging er auch recht betrübt von dort weg, denn das Kätherle schien es darauf angelegt zu haben, ihn zu ärgern und zu meistern. Das Erste, was das Kätherle immer und immer von ihm verlangte, war: daß er das Rauchen aufgeben solle. Er durfte es nie küssen, wenn er geraucht hatte, und ehe er zu ihm ging, mußte er fast immer seine liebe Pfeife verstecken; in des Zieglers Stube aber durfte er nie und nimmer rauchen, und so gern er auch dort war, machte er sich doch immer nach einer Weile wieder fort. Kätherle hatte wohl recht, wenn es ihn oft damit neckte.
    Hansjörg ärgerte sich gewaltig über den Eigensinn Kätherle's, und er steifte sich immer mehr auf seine Liebhaberei. Er meinte, es sei unmännlich, sich von einem Weibe etwas vorschreiben zu lassen; das Weib müsse nachgeben, dachte er; und dann muß man auch bekennen: es war ihm rein unmöglich, seine Gewohnheit aufzugeben. Er probierte es einmal während der Heuernte zwei Tage lang, aber es war ihm immer, als ob er faste: es fehlte ihm überall Etwas, und er holte sich seine Pfeife wieder, und indem er sie vergnüglich zwischen den Zähnen festhielt und dabei Feuer schlug, sagte er vor sich hin: »Eh' mag das Kätherle und mit ihm alle Weibsleut' zum Teufel gehen, eh' ich das Rauchen aufgeb'!« Er schlug sich dabei auf die Finger, und die heftig schmerzende Hand schüttelnd, dachte er: das ist Sündenschuld, denn dein Schwur ist eigentlich doch nicht wahr.
    Endlich kam der Herbst herbei. Hansjörg wurde richtig für untauglich zum Militärdienst erklärt. Noch einige andere Bauernburschen hatten ihm seine List nachgeahmt, sie hatten sich nämlich die Schaufelzähne ausgerissen, damit sie keine Patronen beißen konnten; aber die Militärkommission sah dieß als absichtliche Verstümmelung an, während die des Hansjörg, ihrer Gefährlichkeit wegen, als Unglück betrachtet wurde. Die Zahnlückigen wurden zum Fuhrwesen genommen und mußten nun doch mit in den Krieg ziehen. Mit einer verstümmelten Zahnreihe mußten sie die oft mageren Bissen der Kriegskost beißen, und am Ende mußten sie gar in's Gras beißen, wozu sie eigentlich gar keine Zähne mehr brauchten.
    In den ersten Tagen des Oktobers hielt der französische General Moreau seinen berühmten Rückzug über den Schwarzwald. Eine Abtheilung des Zuges kam auch durch Nordstetten. Man hörte mehrere Tage vorher davon. Es war eine Furcht und Angst im Dorfe, daß man sich nicht zu helfen und zu raten wußte. In allen Kellern wurde gegraben und geschaufelt und Alles, was man von Geld und Kostbarkeiten hatte, hineingelegt. Die Mädchen brachten ihre Granatenschnüre mit der daranhängenden silbernen Münze (dem sogenannten Anhenker), sie zogen ihre silbernen Ringe vom Finger und legten sie in die Grube. Alles ging schmucklos umher wie bei einer großen Trauer. Das Vieh wurde bei Egelsthal in eine unwegsame Schlucht getrieben. Die Mädchen und Burschen sahen sich betrübt an, wenn man von dem herannahenden Feinde sprach; mancher Bursch faßte dann nach seinem Messergriffe, der aus der Hosentasche hervorsah.
    Am übelsten waren aber die Juden dran. Wenn man dem Bauer auch Alles nimmt, seinen Acker und seinen Pflug kann man ihm doch nicht forttragen; die Juden aber hatten all ihr Vermögen in beweglicher Habe, in Geld und Waren; sie zitterten daher doppelt und dreifach. Der jüdische Kirchenvorsteher, ein gescheiter und gewandter Mann, fand einen pfiffigen Ausweg. Er ließ ein großes Faß mit rothem Wein, der tüchtig mit Branntwein vergeistigt war, vor seinem Hause aufstellen und auf einen Tisch gefüllte Flaschen setzen, um damit die ungebetenen Gäste zu bewirthen und abzuhalten. Die List gelang, weil die Franzosen ohnedieß Eile hatten, weiter zu kommen.
    Der Tag des Durchmarsches kam und ging besser vorüber, als man je gehofft hatte. Die Leute im Dorfe standen haufenweise bei

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