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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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eintrat und den Pfarrer erblickte, eilte er auf ihn zu, packte ihn an der Gurgel und rief: »Kerl! ich bin froh, daß ich dich wieder hab'.« Creszenz und Petermichel wehrten ab, der Pfarrer bat mit stockender Stimme den letztern, daß er weggehe, er habe mit den Leuten was zu reden. Petermichel ging.
    »Heißt du Creszenz?« fragte der Pfarrer die Frau.
    »Ja.«
    »Mein Kind, mein Kind!« sprach der Pfarrer mit erstickter Stimme und warf sich an ihren Hals.
    Eine Zeit lang war Stille in der Stube, die Männer und die Frau weinten. Der Pfarrer fuhr Creszenz immer mit der Hand über das Gesicht, dann ließ er die Beiden schwören, daß sie nie sagen wollten, in welchen Verhältnissen sie zu ihm stünden; er wollte für sie sorgen, ihnen ein Hauswesen einrichten. Creszenz sollte nur seiner Schwester Kind sein. –
    So blieben nun die Landstreicher im Dorfe. Florian handhabte mit großem Fleiß sein ihm treugebliebenes Messer als Metzger.
    Die Frau des evangelischen Pfarrers, eine tugendstolze Pietistin, will zwar herausgebracht haben, Creszenz sei die Tochter und nicht das Schwesterkind des Pfarrers, die Leute aber wollen's nicht glauben.
    Der Hund, ein guter Metzgerhund, heißt nicht mehr Schlunkel, sondern führt seinen ehrlichen Namen Bleß. Alle trüben Erinnerungen an die Vergangenheit sind ausgelöscht.
     
Fußnoten
     
    1 Durch.
     
     

 
II.
Der Lautenbacher.
     
    Die Glocke läutete hell, ihre Töne zerflossen sanft in dem lichten Mittag; die Menschen kehrten von ihrer Arbeit heim. Die Männer gingen mit der Mütze in der Hand von den Feldern auf die Straße, die Stimme Gottes hatte sie gerufen, das harte Feldgeräthe aus der Hand zu legen, heimzukehren und sich zu stärken am Gebete und an irdischer Speise. Ein junger, schlank gewachsener Mann war die Straße von der Stadt heraufgekommen. Er war städtisch gekleidet und hatte einen braun marmorirten Ziegenhainer Stock, in den viele Namen eingeschnitten waren, in der Hand. Als er nun das Dorf so vor sich ausgebreitet sah, blieb er stehen, horchte hin nach dem Geläute und schaute umher in den Wald der blühenden Obstbäume, die das Dorf umdrängten. Er grüßte die Leute, die vom Felde herüber kamen, mit einer besondern Freundlichkeit, ja, als ob er sie kenne. Die Leute dankten herzlich und schauten sich Alle nochmals nach ihm um, sie meinten, das müsse Einer aus dem Dorfe sein, der aus der Fremde heimkehre; er hatte sie ja so durchdringend angeschaut, und doch kannten sie ihn nicht.
    Als die letzten Töne der Glocke verklungen waren, als Alles auf dem Felde stille, kein Mensch mehr zu sehen war und nur die Lerchen hoch in der Luft jubelten, da setzte sich der Fremdling an den Wegrain, schaute noch lange hinüber nach dem Dorfe, zog endlich eine Brieftasche heraus und oft wieder um sich blickend schrieb er hinein:
    »Griechen und Römer! Wie hoch schallten eure Triumphe, wie schmetterten eure Kriegstrompeten, aber nur das Christenthum grub das Erz aus den dunkeln Schachten der Erde, ließ es hoch in den Lüften schweben und weithin seinen Klang ausgießen, zur Anbetung, zur Freude und zur Trauer. Wie herrlich mögen die Harfen und Pauken im Tempel zu Jerusalem geklungen haben; aber nicht mehr Ein Tempel steht auf der Erde, tausende hieß das Christenthum erstehen aller Orten ... Mir war's vorhin, als ob die Glocken erschallten zum Einzuge in meinen neuen Bestimmungsort, als ob die Stimme Gottes mir Willkommen zuriefe. Wohl saht ihr euch verwundert nach mir um, ihr guten Menschen, ihr wußtet nicht, was wir einander werden sollen. O könnt' ich die Seelen dieser Menschen ganz in meine Gewalt bekommen, ich wollte sie frei machen von ihrem trägen Aberwitze und sie kosten lassen die reinen Freuden des Geistes. – Da wandeln sie aber hin, und gleich dem Thiere, das vor ihnen hergeht, sehnen sie sich nach nichts als nach dem Futter für ihren Mund ... Das also ist der Ort, wo mein erneutes Leben beginnt: diese Schluchten und Ackerflächen, mit welchen Gedanken wird mein Auge auf ihnen weilen! O die Erde ist überall schön und freudespendend, wo es Blumen gibt. Und wenn die Menschen mich nicht verstehen, verstehst du mich doch, o ewige Natur, und lächelst mir freundlich zu, wenn ich deinen stillen Offenbarungen lausche ... Da stehen die Bäume in ihrer Blüthenpracht und drinnen im Dorfe hör' ich das Jauchzen der Kinder, in deren Herzen ich den Lichtstrahl der Bildung werfen soll ....«
    Der Schreibende hielt inne; seinen Stock betrachtend, sagte er leise

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