Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Ihr denn nicht recht mit 'raus wollen? Das ist ja kein' Schand. Nu Ihr könnet mir jetzt g'wiß die Wahrheit sagen, warum ist jetzt grad' Lauterbach in dem Lied?«
»Wer kann das wissen? es hat wahrscheinlich gar keinen Grund, solche dumme Lieder werden von einfältigen Menschen gemacht, die diesen und jenen Ort nehmen, weil er ihnen gerade in das Metrum, ich wollte sagen, in das Versmaß paßt.«
»Ei, das Lied ist gar nicht so dumm und es hat ein' recht lustige Weisung, ich hör's rechtschaffen gern singen.«
»Sie erlauben, daß ich entgegengesetzter Ansicht bin.«
»Was ist da viel zu erlauben? wenn ich's auch nicht erlauben thät, wäret Ihr's doch, nur frei heraus und saget mir einmal: warum?«
»Ich meine: welcher Gedanke, ja nur welcher Sinn liegt in dem Lied:
Zu Lauterbach hab' ich mein' Strumpf verloren,
Ohne Strumpf geh' ich nicht heim,
Jetzt geh' ich halt wieder gen Lauterbach,
Kauf mir ein' Strumpf zu mein eim.
Das ist nichts als barer Unsinn, und das nennen Sie lustig? Wie kann ein Lied lustig sein, wenn gar kein Gedanke darin ist? Ist die Gedankenlosigkeit Lustigkeit?«
»Ja, es mag jetzt sein, wie es will, lustig ist es doch; es paßt halt so grad, wenn man« – der Buchmaier konnte sich hier nicht mehr recht ausdrücken, er schnalzte nur mit den beiden Händen, dann fuhr er fort: »ich will sagen, wenn man so recht darüber 'naus ist. Wir haben hier Einen, den Jörgli, von dem müsset Ihr's einmal hören, dann saget Ihr auch: es gibt nichts lustigeres. Ein Spaßvogel hat mir einmal berichtet, es müss' nicht ›Strumpf,‹ es müss' ›Schuh‹ heißen, und deßwegen sei von Lauterbach die Red', weil dort auf allen Gassen Schlappen 'rumliegen. Aber was geht uns jetzt das Lied an? Wir wollen was Andres reden. Habt Ihr hier herum auch Bekannte?«
»Keinen Menschen.«
»Nun Ihr werdet schon gute Freund' bei uns finden, die Leut' sind zwar hier herum ein Bisle grob; es ist nicht so, aber es sieht so aus. Ein Bisle spöttisch, das ist wahr, das sind sie, es ist aber nicht bös gemeint, man muß nur tüchtig heimzahlen; und wenn man mit ihnen umzugehen weiß, kann man's um einen Finger wickeln.«
»Ich werde gewiß allen Menschen mit Liebe entgegenkommen.«
»Ja, was ich hab' sagen wollen, nun müsset Ihr auch die Gemeinderäthe und den Bürgerausschuß begrüßen, Ihr müsset sie besuchen; und noch Eins, gehet auch zum alten Schullehrer, der jetzt schon 25 Jahr in Ruhstand versetzt ist, er ist ein braver Mann, und es thut ihm wohl. Er ist noch von der alten Welt, aber auch grundgut. Ich bin auch noch bei ihm in die Schul' gangen, freilich weiß ich auch wenig genug. Der letzte Schullehrer hat's mit ihm verdorben, weil er ihn nicht besucht hat; und wenn Ihr ihm einen besondern Gefallen thun wollet, lasset ihn als einmal am Sonntags Orgel spielen. Jetzt will ich Euch Euer' Wohnung zeigen, Eure Sachen sind schon gestern ankommen.«
Mißvergnügten Antlitzes ging der Lehrer neben dem Buchmaier durch das Dorf. Er war mit so hohen, überschwänglichen Gedanken hier angekommen, und war auf eine so rauhe, harte Wirklichkeit gestoßen. Oft hörte er hinter sich sagen: das ist g'wiß der neu' Schullehrer. Bei der Krone begegnete den Beiden der uns wohlbekannte Mathes, er war nun im Bürgerausschuß. Der Buchmaier stellte ihm den neuen Lehrer vor. Einige hatten dies gehört und nun verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Mathes schloß sich den Beiden an.
So groß war die hinneigende Liebe der Kinder, in deren Herzen der Lehrer einzudringen gedachte, daß sie davon liefen, als sie ihn von ferne sahen. Hie und da blieb aber auch einer der beherzten Knaben stehen und nickte freundlich, ohne die Kappe abzuziehen, aus dem einfachen Grunde, weil er keine auf hatte.
Nicht weit von dem Schulhause stand ein hübscher Knabe von sechs bis sieben Jahren. »Komm' her, Hannesle,« rief Mathes, »gucket, Herr Lehrer, der ist mein. Nehmet ihn nur recht dazwischen, er kann lernen, aber er mag oft nicht. Gib dem Herrn eine Hand, der ist jetzt dein Herr Lehrer, den mußt du gern haben. Wie sagt man zu einem Fremden?«
»Grüß' Gott,« sagte der Knabe, herzhaft die Hand reichend.
Das Antlitz des Lehrers war wie verklärt, dieser Gruß aus Kindes Munde that ihm gar wohl. Er war jetzt wieder in seinem Paradiese, das unschuldvolle Gemüth eines Kindes wendete sich ihm zu. Er beugte sich zu dem Knaben nieder und küßte ihn.
»Willst du mich lieb haben?« fragte er dann. Hannesle sah seinen Vater
Weitere Kostenlose Bücher