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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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an.
    »Willst du den Herrn Lehrer gern haben?« fragte der Mathes.
    Der Knabe nickte bejahend mit dem Kopf, er konnte nicht mehr reden, denn die Thränen standen ihm in den Augen.
    Die drei Männer gingen fort, der Knabe sprang eilends, ohne sich umzusehen, nach Hause.
    Der Buchmaier und Mathes zeigten nun dem Lehrer seine Wohnung.
    »Da gehört bald ein Weib 'rein,« sagte Mathes, »ein Schullehrer muß eine Frau haben. Wir haben jetzt zum erstenmal einen Ledigen; nun wir haben hier Staatsmädle, Ihr müsset euch einmal umgucken. Das Best' ist, ihr nehmet eine aus dem Ort; wenn man nicht aus dem Ort ist und nicht 'rein heirathet, bleibt man halt wildfremd. Hab' ich Recht oder nicht, Vetter?«
    »Vielleicht hat der Herr Lehrer schon eine ausgesucht,« entgegnete der Buchmaier, »und sie mag her sein, wo sie will, sie soll bei uns gut aufgehoben sein.«
    »Ja, wir halten ihr einen Gegenritt,« sagte Mathes, indem er dachte: der Buchmaier ist doch gescheiter als du. Der Lehrer aber sagte:
    »Ich bin noch durchaus ledig, ich kann schon noch eine geraume Zeit zusehen.« Innerlich dachte er: lieber eine Aeffin, als so eine vierschrötige Bäuerin zur Frau.
    »Jetzt müsset Ihr mich verexkusiren,« sagte der Buchmaier, »ich muß in's Feld; ich hab' da einen Gaul im Handel und muß sehen, wie der im Zug ist. Nun, wir sehen uns ja heut Abend. B'hüt's Gott dieweil. Gehst mit, Mathes?«
    »Ja, b'hüts Gott, Herr Lehrer, und wenn Euch die Zeit zu lang wird, so nehmet's doppelt.«
    Der Lehrer verstand diese nicht sehr geschickte Redensart des Mathes, die von dem Bilde eines zu langen Fadens genommen ist, nicht ganz.
    Nachdem hinter den Fortgegangenen die Thüre schon zu war, drückte der Lehrer nochmals an derselben, gleichsam um sich zu vergewissern, daß er jetzt allein sei. Er fühlte sich sehr beklommen und konnte sich doch nicht recht sagen warum. Endlich siel ihm die Lauterbacher Geschichte wieder ein. Er sah darin eine grobe und rohe Begegnung, alle ihm sonst erwiesene Freundlichkeit haftete nicht an ihm.
    So sind die Menschen! Wenn sie sich in gereizter Stimmung befinden, behalten sie immer nur das Eine im Sinne, was sie verletzte, und übersehen alles andere noch so Liebreiche.
    Erst saß der Lehrer lange still, dann erhob er sich, seine Sachen auszupacken. Es heimelte ihn wiederum an, da die gewohnten Gegenstände um ihn her lagen. Bald versank er indeß abermals in stilles Brüten, und er dachte bei sich: da bist du nun wie in eine Wildniß versetzt; was dich erfreut und betrübt, ist für diese Menschen gar nicht vorhanden; dein Schultheiß ist eben nichts als ein Bauernschulz, noch stolz auf seine Rohheit. Wohl mag der Geist auch in diesen Menschen schlummern, aber er ist verschüttet. Ich will alle meine Kraft zusammenhalten, um mich gegen das Verbauern zu wahren. Tagtäglich will ich mein ganzes Sein aufwühlen, ich will frei bleiben von dem Einflusse meiner Umgebung. Ich habe Lehrer gesehen, die mit dem freien Geiste der Zeit erfüllt in ihr Amt traten, und nach einigen Jahren versanken sie ganz in den Schlendrian, sie waren zu Bauern geworden, selbst ihr Aeußeres war nachlässig und schlapp. – Er schrieb auf ein Zettelchen:
Memento!
und steckte es an den Spiegel.
    Endlich raffte er sich auf und ging hinaus auf das Feld, den Weg, den er herein gekommen war. Die Bauern, die hier auf den Aeckern an der Straße arbeiteten, sagten: »Nun, wie geht's, Herr Lehrer? schon eingewöhnt?« Der Lehrer gab kurze, aber freundliche Antworten; diese Zuthulichkeit kam ihm fremd vor und beleidigte ihn fast. Er wußte nicht, daß die Leute ein Anrecht zu derselben zu haben glaubten, weil sie ihn zuerst gesehen hatten, zuerst von ihm begrüßt worden waren.
    Nach langem Umherschweifen in den Feldern fand er »im Grunde« einen einsam stehenden Holzbirnenbaum von schönem Schlage. Er umwandelte ihn von allen Seiten, bis er den rechten Punkt gefunden hatte. Nun setzte er sich auf einen breiten Markstein und zeichnete.
    Viele Bauern kamen neugierig herbei und schauten zu. Schnell verbreitete sich von Mund zu Mund das Gerücht: der neu' Lehrer schreibt die Bäum' ab.
    Der Lehrer zeichnete noch den Hügel gegenüber mit dem Haselbusch und der Brombeerhecke, die sich über einen Felsen wand, auch das Feldhäuschen, in dem man das Feldgeschirr aufbewahrt oder bei Unwetter Schutz sucht; zuletzt zeichnete er einen Bauern mit Pferd und Pflug als Staffage.
    Es neigte sich gegen Abend. Mit beruhigter Seele kehrte der Lehrer heimwärts.

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