Schwarzwaelder Dorfgeschichten
geschenkt und steuerte wohl auch das gewinnende Paar mit einem kleinen Lehen aus. Jetzt hat das Alles keine Bedeutung mehr, man sollte es abschaffen.
Manchmal verliert sich von der Tanzmusik drinnen im Dorfe ein Klang zu mir heraus in das Feld; nur die schmetternden Töne der großen Trompete sind es, die ich abgerissen vernehme. So auch stehen diese Bauern fern von der großen Harmonie der Geisteswelt; nur wenn die große Trompete erschallt, oder die große Trommel gerührt wird, dringt ein abgerissener Klang zu ihnen und sie schreiten eine Weile im Marschtakte der Zeit. Von dem lieblichen Adagio, von dem friedlichen Zusammenklingen wissen und hören sie nichts.
Es ist gut, daß immer noch Plätzchen auf der Welt sind, die Niemand gehören, wo die Armen ihr Gras sammeln können; das sind die Raine, Anwände oder wie man sie nennen mag. Wo aber der Fuß des Menschen kaum mehr einen Halt findet, da klettert noch die Ziege, die Genossin der Armen, umher, um sich ein frisches Kraut oder ein schmackhaftes Läublein zu holen.
An den Holztagen dürfen die Armen von den grünenden Bäumen sich die dürren Aeste aneignen. Ich habe einmal die schöne Deutung gelesen, daß die gütige Natur dieses Gewohnheitsrecht aufstellte und von ihrem reichen Tische den Armen abgibt. Die Armen und das dürre Holz – –
Auch das Unkraut in den Kornfeldern gehört Niemand, das jäten die Armen aus und es ist nahrhaftes Futter; fragst du nun noch: wozu das Unkraut? Vielleicht ist es auch mit vielem andern so ...
Diese Blätter sind die Ausbeute von dreien Monaten, während welchen der Lehrer in den Feldern umherschweifte. Sie hatten ihm manche üble Nachreden zugezogen, denn die Leute konnten gar nicht begreifen, was er immer einzubuchen habe, und sie erschöpften sich in allerlei Vermuthungen. Man wird bemerkt haben, daß er auch manche Erkundigung über Gewöhnliches einzog, das ihm noch neu war; die Leute sahen ihn groß an und schüttelten die Köpfe, sie konnten gar nicht begreifen, wie man so etwas nicht wissen könne.
Es ist gewiß schon Vielen begegnet, daß, wenn sie einen Bauern um den Weg nach dem nächsten Orte befragten, der Angeredete stutzte, weil er glaubte, man necke ihn, dann aber eine Erklärung gab, die auf der Voraussetzung beruhte, daß man die Oertlichkeiten kenne. Es geht aber auch vielen Gebildeten so: weil ihnen ihr gewohnter Gesichts- und Ideenkreis klar ist, meinen sie, das begriffe Jeder und sie verständigen sich nur halb.
Der Lehrer war im Dorfe noch so unbekannt, daß Niemand seinen Namen wußte. Eines aber hatte Jeder erfahren, nämlich, daß der Lehrer aus Lauterbach sei; hieran heftete sich nun die Spottsucht, man wollte es ihn entgelten lassen, daß er so stolz und zurückgezogen war. Abends, wenn die Burschen wußten, daß der Lehrer zu Hause war, rotteten sie sich vor seinen Fenstern zusammen und sangen unaufhörlich den Lauterbacher. Weil man auch wußte, daß er ein strenger Vertheidiger des Vereins gegen Thierquälerei war, wurde ein gewöhnliches Lied zum Draufsetzen oft gesungen, es lautete:
Jetzt ischt das Liadle aus,
Jetzt speir i do e Maus:
Such i 'rum und find se,
Nehm i e Messer und schind se,
Stich ihr d'Augen aus –
No haun i e blinde Maus.
Diese »Gemeinheit« ärgerte den Lehrer. Er wußte aber noch immer nicht, was alles das zu bedeuten habe, bis sich endlich der Studentle zu den Burschen gesellte; obgleich er verheirathet war, stand er doch bei jedem muthwilligen Streiche obenan. Er brachte nun einen neuen Vers, der oft wiederholt wurde:
Z' Lauterbach bin ich so stolz gebor'n,
Stolz das ist meine Manier;
Ei wär' ich doch wieder in Lauterbach,
Da wär' ich in meinem Revier.
Jetzt merkte der Lehrer, was diese Zusammenrottungen zu bedeuten hatten; in seiner tiefsten Seele trauerte er, daß diese Menschen, denen er doch nur wohlwollte, ihn so mißhandelten. Drinnen trauerte der Lehrer, draußen aber wurde das Gejubel immer lauter. Da raffte er sich auf, er wollte an das Fenster treten und ein Wort der Verständigung sprechen; glücklicher Weise fiel aber sein Blick auf die Geige, er nahm sie von der Wand und spielte frischweg die Melodie des ihn verfolgenden Liedes. Drunten horchte man still auf, nur verhaltenes Kichern ließ sich vernehmen; aber der Gesang begann bald wieder und der Lehrer begleitete ihn mit der Geige, so oft man auch wieder anfing.
Endlich trat er an das Fenster und sagte hinaus:
»So, hab' ich's recht gemacht?«
»Ja,«
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