Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
mich ist er alleweil gut.«
    Plötzlich kam hinter dem Hause hervor ein Mädchen, dem ein schneeweißes Huhn auf dem Fuße folgte. »Hent ihr guate Roath Ahne?« fragte das Mädchen im Vorübergehen, es schaute kaum eine Weile auf. Der Lehrer war so betroffen, daß er unwillkürlich, aufstand und nach der Mütze griff.
    »Ist dieß euer Enkelchen?« fragte er endlich.
    »Freilich.«
    »Das ist ja prächtig,« sagte der Lehrer.
    »Nicht wahr, es ist ein sauber's Mädle? Der alt' Schmiedjörgli sagt ihm immer, wenn es das Dorf hineinkommt, es wär' grad wie sein' Ahne. Der Schmiedjörgli ist noch der einzig von denen jungen Bursch, mit denen ich getanzt hab'; jetzt ist es grad wie wenn wir hundert Stund' von einander wären, er sitzt drinnen im Dorf und kann nicht zu mir kommen und ich nicht zu ihm; wir müssen halt warten, bis wir halbwegs auf dem Kirchhof zusammenkommen, und da treff' ich die ganz' alt' Welt, und im Himmel da geht's erst recht an. Mein guter Hansadam muß lange warten bis ich zu ihm komm', die Zeit wird ihm lang werden.«
    »Euch haben gewiß alle Leut' im Dorfe gern,« sagte der Lehrer.
    »Wie's in den Wald 'neinhallt, hallt's raus. Wenn man jung ist, möcht' man gern alle Leut' auffressen, die einen aus Lieb' und die anderen aus Aerger; wenn man alt ist, da läßt man einem Jeden sein Sach'. Ihr glaubet's gar nicht, was die Leut' hier so gut sind; Ihr werdet's auch noch erfahren. Seid Ihr denn auch schon viel in der Welt 'rumkommen?«
    »Fast gar nicht. Mein Vater war auch Schullehrer, er starb, als ich kaum sechs Jahr alt war, bald darauf starb auch meine Mutter; ich wurde nun in das Waisenhaus gebracht, blieb dort, zuerst als Zögling, dann als Incipient und Hülfslehrer, bis ich diesen Frühling hierher versetzt wurde. Ja, liebe gute Frau, es ist ein hartes Loos, wenn man sich kaum mehr erinnert, daß einen die Hand der Mutter berührt hat.«
    Die Hand der alten Frau streifte ihm plötzlich über das Gesicht, es war dem Lehrer in der That als ob ihn eine höhere Macht berührte, er saß da mit geschlossenen Augen und die Augäpfel zitterten und bebten, die Wangen glühten; wie erwachend faßte er die Hand der Alten und sagte:
    »Nicht wahr, ich darf euch auch Großmutter heißen?«
    »Rechtschaffen gern, du guter, lieber Mensch, es kommt mir auf eilt Enkele mehr oder weniger nicht an, und ich will's probiren und will dir deine Strümpf stricken, bring' mir auch die zerrissenen.«
    Mit einem erhabenen Wohlgefühl faß nun der Lehrer bei der alten Frau, er wollte gar nicht weggehen. Die Vorübergehenden staunten, daß der stolze Mensch sich so vertraulich mit der alten Maurita unterhielt.
    Endlich kam ein Mann aus dem Hause, die Augen reibend, sich reckend und streckend.
    »Hast ausg'schlafen Johannesle?« fragte die Alte.
    »Ja, aber mein Kreuz thut mir noch sträflich weh von dem Schneiden.«
    »Es wird schon wieder gut, unser Herrgott läßt Einem vom Schaffen keinen Schaden zukommen,« erwiderte die Mutter.
    Der Lehrer dachte daran, wie ihm das Bücken der Leute als ein ceremoniöses Gebet vorgekommen war. Nach gegenseitigen Begrüßungen begleitete er nun den Johannesle hinaus in das Feld.
    Johannesle liebte eine Unterhaltung, bei der man nichts zu trinken brauchte und die auf diese Weise nichts kostete; er war daher entzückt von der Liebenswürdigkeit und Gescheitheit des Lehrers, denn dieser hörte ihm aufmerksam zu: die Darlegung seines Hauswesens, die Geschichte des Constantin und noch vieles Andere.
    Am Abend erzählte Johannesle allen Leuten, der Lehrer sei gar nicht so ohne, er könne nur nicht recht mit der Sprache heraus, er könne den Rank 2 nicht kriegen.
    Der Lehrer aber schrieb, als er nach Hause kam, in sein Taschenbuch: »Die Frömmigkeit allein erhält den Menschen auch noch im Alter liebenswürdig, ja sie macht heilig und anbetungswerth, die Frömmigkeit ist die Kindheit der Seele; wenn fast wieder das Kindischwerden hervortritt, verbreitet sie eine anmuthige glorienhafte Milde über das ganze Wesen. Wie hart, herb und häßlich sind genußsüchtige, selbstsüchtige Menschen im Alter, wie erhaben war diese Frau selbst in ihrem Aberglauben!«
    Noch etwas Anderes schrieb der Lehrer in sein Taschenbuch, aber er strich es alsbald wieder aus. In herber Selbstanklage saß er lange einsam, endlich ging er hinaus auf die Straße, sein Herz war so voll, er mußte unter Menschen sein; der Gesang der Burschen, der weithin schallte, durchzitterte seine Brust und er sagte: »Wohl mir, es

Weitere Kostenlose Bücher