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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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ist gekommen, daß der Gesang der Menschen mich noch tiefer faßt, als der Gesang der Vögel; ich höre den brüderlichen Ruf. O Gott! ich liebe euch Alle!«
    So wandelte er noch lange durch das Dorf, im Herzen traulich zu Allen sprechend, aber kein Wort kam über seine Lippen. Ohne zu wissen, wie es gekommen war, stand er plötzlich vor dem Hause Johannesle's in der Bruck: Alles still ringsum, nur aus der untern Stube, wo die Leibgeding-Wohnung der Großmutter war, vernahm man eintöniges Murmeln von Gebeten.
    Erst spät in der Nacht kehrte der Lehrer heim. Alles war still, nur hier und dort vernahm man das leise Wispern zweier Liebenden. Als er endlich in seine Stube eintrat, wo Niemand war, der ihm auf seine Reden eine Antwort gab, der nach ihm aufschaute und ihm gleichsam sagte: freue dich, du lebst und ich lebe mit dir – da betete er laut zu Gott: »Herr! laß mich das Herz finden, das mein Herz versteht.«
    Am andern Tage wußten die Kinder gar nicht, warum der Lehrer heute so überaus fröhlich dreinsah. In der Zwischenstunde schickte er des Mathesen Hannesle in den Adler und ließ sagen, man brauche ihm das Essen nicht zu schicken, er wolle selbst hinkommen.
    Es war mißlich, daß der Lehrer sich mit so hochfliegenden Gedanken dem Leben um ihn her näherte; er konnte sich wohl zurückhalten, seine eigenen Empfindungen den Andern mitzutheilen, dem aber konnte er nicht steuern, daß ihm manches Häßliche und Widrige vor die Augen gerückt wurde.
    In der Wirthsstube traf er das Bärbele, das in der Schenke stand, in eifrigem Gespräch mit einer andern Frau.
    »Gelt,« sagte Bärbele, »sie haben dir gestern Abend den Deinen wüst heimbracht, er hat stark auf ein' Seite geladen gehabt; wenn ich's gesehen hätt', daß sie ihm Branntwein in's Bier schütten, ich hätt' scharf ausgefegt.«
    »Ja,« sagte die Frau, »er war ganz erbärmlich Zugerichtet, er war grad wie ein voller Sack.«
    »Ja und du sollst dich noch so schön bedankt haben, was hast denn gesagt? Sie haben so gelacht, es hat gar kein End' nehmen wollen.«
    »Ich hab' halt gesagt, sag' ich: Ich dank' schön ihr Mannen, vergelt's Gott. Da haben sie mich gefragt: für was denn? Da hab' ich gesagt, sag' ich: Bedankt man sich ja wenn man einem ein' Wurst bringt, warum wird man sich nicht für ein' ganze Sau bedanken?«

    Der Lehrer legte die Gabel weg, als er diese Nohheit vernahm; bald aber aß er wieder weiter, indem er lächelnd darüber nachdachte, wie das Unglück und die Leidenschaft so oft witzig mache.
    Bei allen Gefühlsverletzungen, die der Lehrer durch die Art und Weise der Bauern empfand, wendete er sich aber nicht mehr an die Mutter Natur, sondern an die Großmutter Maurita, die ihm über die Art, wie die Menschen hier lebten, manchen Aufschluß gab. Viele Leute sagten daher, die alte Frau habe den Lehrer behext. Dem war aber nicht so. So gerne er sich auch an ihrem liebevollen Herzen erlabte, konnte man doch eher sagen, die Hedwig hätte es ihm angethan, obgleich er sie nur einmal gesehen und noch kein Wort mit ihr gesprochen, hatte. »Hent ihr guate Roath, Ahne?« Diese Worte wiederholte er sich oft, sie klangen ihm so innig, so melodisch, trotzdem sie in dem derben Dialekte gesprochen waren, ja dieser selber hatte eine gewisse Milderung und Anmuth dadurch erhalten.
    Mit aller Macht seiner früheren Vorsätze stemmte sich unser Freund gegen die Hinneigung zu einem Bauernmädchen, aber wie es immer geht, die Liebe findet Auswege genug; so sagte sich auch der Lehrer: »Gewiß ist sie das wiedergeborene Ebenbild der guten Großmutter, nur frischer, von der Sonne der neuern Zeit durchleuchtet. Hent ihr guate Roath, Ahne?«
    Eines Abends saß der Lehrer wiederum bei der Alten, da kam das Mädchen hochgerötheten Antlitzes mit der Sichel in der Hand vom Felde heim, seine Schürze hielt es behutsam aufgeschlagen; es trat nun zur Großmutter und reichte ihr aus der Schürze die in Haselblätter eingehüllten Brombeeren.
    »Du weißt doch, was der Brauch ist Hedwig, zuerst wartet man den Fremden auf,« sagte die Großmutter.
    »Langet naun zua, Herr Lehrer,« sagte das Mädchen frei aufschauend; der Lehrer nahm erröthend eine Brombeere.
    »Iß auch mit,« sagte die Großmutter.
    »I dank, esset's naun Ihr mit einander, 's soll Euch wohl bekommen.«
    »Wo hast's denn brochen?« fragte die Großmutter.
    »Neabe aunserm Acker im Grund, Ihr kennet jo die Heck,« sagte das Mädchen und ging in das Haus.
    Es war dem Lehrer ganz eigen zu Muthe, daß

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