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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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immer die Hühner erschrecken, wenn das Hennenfangerle sich ihnen näherte, so daß sie laut aufgackerten.
    Die Leute ließen die alte Frau in Ruhe, denn sie war ihnen unheimlich, man sagte, sie werde deßhalb so alt, weil sie sich nur von Hühnersuppe nähre. Man traf Vorsorge, verfolgte sie aber nicht weiter, wenn sie sich unversehens ihren Tribut holte.
    Die Luft beengt den Athem hier im Hause; lassen wir Frieder allein bei seiner Vertrauten.
    Draußen im Felde, wo Jakob den Klee mit seinen verdorrten Blumen mäht, da ist's freier. Wie stattlich sieht Jakob aus bei dieser Arbeit, wie schön sind seine Bewegungen. Von allen Feldarbeiten ist das Mähen die schönste und am meisten kräftigende. Da bückt man sich nicht zu Boden, da steht man stolz und frei und im weiten Umkreis fallen die Halme nieder. Wir können aber Jakob nichts helfen, denn das Mähen will wohl gelernt und geübt sein, und die Schichten müssen liegen bleiben, wo sie gefallen sind, bis sie ganz verdorren. Könnten wir ihm nur in seinen Gedanken helfen! Die Sense scheint heute nicht recht scharf und Jakob etwas mißmuthig. Das Zusammentreffen mit Frieder peinigt ihn, aber noch etwas Anderes, er weiß nicht recht was. So oft er den Wetzstein nimmt und die Sense schärft – und das geschieht oft – denkt er an das Mädchen, wie es zur Halbthüre herauslehnte und wie es erröthete; er hat herzliches Mitleid mit ihm. Jakob war kein Neuling in der Welt, er wußte wie Unglück und Verbrechen kein Alter und kein Geschlecht verschont, aber jetzt war es ihm, als ob er's hier zum ersten Mal erführe. Ein Mädchen mit dem Stempel des Verbrechens auf der Stirn ist doppelt und ewig unglücklich; was soll aus ihm werden? – Jakob mähte, um seine Gedanken los zu werden so emsig fort, daß er unvermerkt einen scharfen Schnitt in den Stamm eines Bäumchens machte, das mitten im Klee stand.
    Nun hatte er Grund genug zum Wetzen.
     
Fußnoten
     
    1 Ein Viertelschoppen.
     
     
Die lustige Magd.
    Am Sonntag Nachmittag saß Jakob bei einem Fuhrmann in der Stube; sie hatten einen Schoppen Unterländer Wein vor sich stehen. Konrad sah zum Fenster hinaus und sagte jetzt:
    »Bäckenmagd, komm rein mit deinen Mitschele.«
    Das Mädchen trat ein, es trug einen Korb voll »mürben« Brodes auf dem Kopfe. Wie es jetzt den Korb abnahm und frei vor sich hinhielt, erschien es in seiner gedrungenen Gestalt gar anmuthig. Das kugelrunde ruhige Gesicht sah aus wie die Zufriedenheit selber, seltsam nahmen sich dabei die weit offenen hellblauen Augen mit den dunkeln Wimpern aus; es schien eine Doppelnatur in diesem Gesichte zu hausen. Ein kleines unbändiges Löckchen, das senkrecht mitten auf die Stirne herablief, suchte das Mädchen in das braune Haargeflecht zu schieben, aber es gelang nicht. Man sah es wohl, das wilde Löckchen, das sich nicht einfügen ließ, war sorgfältig gekräuselt und zur Zierde gestaltet; es gab dem ganzen Anblicke des Gesichts etwas muthwilliges. So erschien es wenigstens Jakob, als das Mädchen auch zu ihm kam und ihm Brod zum Verkaufe anbot, und er fuhr wie erschreckt zusammen. Er griff nach dem Glase, als wollte er es dem Mädchen reichen, schüttelte aber zornig schnell mit dem Kopfe und – trank selber.
    Der alte Metzgerle, der auf der Ofenbank saß und auf einen Freitrunk harrte, suchte sich einstweilen die »Langzeit« zu vertreiben, indem er das Mädchen neckte. Er sagte, auf die Locke deutend:
    »Du hast einen abgerissenen Glockenstrang im Gesicht, es muß einmal tüchtig Sturm geläutet haben bei dir.«
    Das Mädchen schwieg, und er fragte wieder: »Sind deine Mitschele auch frisch?«
    »Ja, nicht so altbacken wie Ihr,« lautete die Antwort.
    Alles lachte, und der Metzgerle begann wieder:
    »Wenn du noch dreißig Jahre so bleibst, gibst du ein schön alt Mädchen.«
    Rasch erfolgte die Gegenrede: »Und wenn Ihr eine Frau krieget, nachher bekommt der Teufel eine Denkmünz', daß er das Meisterstück fertig bracht hat.«
    Schallendes Gelächter von allen Seiten unterbrach eine Zeit lang das Reden, und als der Metzgerle wieder zu Wort kommen konnte, sagte er:
    »Man merkt's wohl, du bist anders als aufs Maul gefallen.«
    »Und Euch wär's gut, wenn Euch was in's Maul fallen thät', nachher ließet Ihr auch Eure unnützen Reden. Wie? Will niemand mehr was kaufen? Ich muß um ein Haus weiter.«
    Mit diesen Worten verließ das Mädchen die Wirthsstube. Jakob schaute ihm halb zornig, halb mitleidsvoll nach. Er machte sich jetzt Vorwürfe, daß

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