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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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er von allen Anwesenden die Magd am unwirschesten behandelt habe; er hatte kein Sterbenswörtlein mit ihr gesprochen. Dann sagte er sich wieder: »Aber sie geht dich ja nichts an, du hast ja nichts mit ihr zu theilen, nichts, gar nichts.«
    Man sprach nun viel von der Magd und daß sie so lustig sei, als ob sie ihr Lebtag über kein Strohhälmle gestrandelt wäre.
    Der Metzgerle bemerkte: »Die hat große blaue Glasaugen wie ein mondsüchtiger Gaul, die sieht im Finstern.«
    In Jakob regte sich eine Theilnahme für das Mädchen, die er sich nicht erklären konnte. Er überlegte, ob es wirklich so grundverderbt sei, oder nur so leichtfertig thue; der Schluß seines Nachdenkens hieß aber immer wieder: »Sie geht dich ja nichts an, nichts, gar nichts.«
    So oft nun Jakob der Magdalena – so hieß das Mädchen – auf der Straße oder im Felde begegnete, wendete er seinen Blick nach der andern Seite.
    Der Hammeltanz wurde im Dorf gefeiert, im Adler ging es hoch her. Jakob versah die Dienste eines Kellners, auch Magdalena half bei der Bedienung. Da man nur in den Pausen beschäftigt war, so hätte Jakob wohl einen Tanz mit Magdalena machen können; er forderte sie aber nie auf und sie schien diese Unhöflichkeit kaum zu bemerken. Wenn er nicht umhin konnte etwas mit ihr zu sprechen, lautete Ton und Wort immer so als ob er sich gestern mit ihr gezankt, als ob sie ihm schon einmal etwas zu leid gethan hätte. Magdalena blieb dabei immer gleichmäßig froh und guter Dinge.
     
Aufhelfen.
     
    Eines Tages ging Jakob in's Feld, da sah er Magdalene vor einem Kleebündel stehen; sie hielt die Hand vor die Stirn gestemmt und schaute sich weit um nach Jemand, der ihr aufhelfe. Jakob war es jetzt plötzlich, als ob sie einem Menschen ähnlich sehe, den er gern aus seiner Erinnerung verbannt hätte; er schüttelte den Kopf wie verneinend und ging vorbei; kaum war er aber einige Schritte gegangen, als er sich wieder umkehrte und fragte:
    »Soll ich aufhelfen?«
    »Ja, wenn's sein kann.«
    Jakob hob Magdalenen die schwere Last auf den Kopf, dann reichte er ihr die Sense. Magdalene dankte nicht, aber sie blieb wie festgebannt stehen.
    »Da hast ein' schwere Traget, das hättst du nicht allein aufladen können,« sagte Jakob.
    »Drum hab' ich auch gewartet, bis Einer kommt. Dazu ist es ja, daß mehr als Ein Mensch auf der Welt ist, daß Einer dem Andern aufhilft. Man kann doppelt soviel tragen, wenn man sich nicht selber aufladen muß.«
    »Du bist gescheit. Warum bist denn allfort so lustig und machst vor den Leuten Possen?« fragte Jakob.
    »Narr, das ist Pfui-Kurasche,« erwiderte Magdalene. »Es kann's kein Mensch auf der Welt schlechter haben als ich: die halb' Nacht am Backofen stehen und verbrennen, den Tag über kein' ruhige Minut' und nichts als Zank und Schelten, und wenn ich was nicht recht thu', da heißt's gleich: Du Zuchthäuslerin, du ... Da ist kein Wort zu schlecht, das man nicht hören muß. Es ist kein' Kleinigkeit, so einen Korb voll Brod zum Verkauf herumtragen und oft kein' Bissen im Magen haben. Wenn dein' gut' Meisterin die Adlerwirthin, nicht wär', die mir allbot was zuschustert, die Kleider thäten mir vom Leib abefallen. Ich weiß nicht, ich hab' das noch keiner Menschenseel so gesagt; aber ich mein' als, dir dürft' ich's sagen, du mußt's wissen wie's Einem ums Herz ist. Ich bin nicht so aus dem Häusle, wie ich mich oft stell'. Fortlaufen darf ich nicht, sonst heißt's gleich, die ist nichts nutz, und zu todt grämen mag ich mein jung Leben auch nicht, und ... da bin ich halt lustig. Es gibt Einem doch Niemand was dazu, wenn man sich das Herz abdruckt; es laßt ein Jedes das Andere waten, wie's durchkommen mag. Ich weiß gewiß, es muß mir noch besser gehen. Ich bin vom Fegfeuer in die Höll' kommen, es kann nicht ewig währen, ich muß einmal erlöst werden. Ich weiß nicht, warum mich unser Herrgott so hart straft; was ich than hab', kann dem rechtschaffensten Mädle passiren. Ich mein' als, ich muß für mein' Mutter büßen, weil sie meinen Vater genommen hat.« – So schloß Magdalene lächelnd und trocknete sich große Thränen ab.
    Jakob sagte: »Genug für jetzt. Du hast schwer auf dem Kopf, mach' daß du heim kommst. Vielleicht sehen wir uns ein Andermal wieder, oder ... heut Abend, oder ... morgen.«
    Jakob ging rasch davon, als hätte er etwas Schlimmes begangen. Auch fürchtete er in der That auf freiem Felde mit Magdalenen gesehen zu werden; er kannte die Blicke und Worte der Menschen in

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