Schwarzwaelder Dorfgeschichten
kleinen Spiegel ab, der allein die Schuld tragen sollte, daß man nicht recht sehen konnte.
Des Kindes Sühne.
Lange saß Magdalene angekleidet auf der Truhe die all' ihre Habseligkeiten verschloß, dann aber ging sie hinab; die Treppe knarrte unter ihren schweren Tritten. Sie setzte sich auf die Staffel vor dem Hause und ließ ihre Gedanken spaziren gehen, sie selber wollte ruhen.
Nicht lange dauerte diese Ruhe. Jakob kam das Dorf herab, er grüßte sie und – ging vorüber. Jetzt ließ sie ihre Gedanken nicht mehr allein spaziren gehen, ihr ganzes Wesen folgte ihnen nach und sie gingen mit Jakob. Dabei saß sie ruhig auf der Staffel. Kaum hörbar, und ohne es selbst zu wissen sang sie das Lied:
Was hab' ich denn meinem Feinsliebchen gethan?
Es geht ja vorüber und schaut mich nicht an?
Es schlägt seine Aeuglein wol unter sich,
Und hat einen Andern viel lieber als mich.
Es paßte wol nicht; wer aber weiß, wie die Regungen und Erinnerungen der Seele sich ineinander verschlingen? Wie oft läuft ein fremder Gedanke neben her, während das Herz ganz erfüllt ist von dem Ereigniß des Augenblicks!
Besser aber paßte ein anderer Vers, der nun auch folgte:
Die stillen, stillen Wasser,
Sie haben keinen Grund;
Laß ab von deiner Liebe,
Sie ist dir nicht gesund.
Der alte Metzgerle kam nun ebenfalls das Dorf herab. Magdalena fürchtete sich gerade jetzt vor seinen Späßen; sie ging schnell in das Haus und nahm ihren früheren Sitz erst wieder ein als der Spaßvogel vorüber war.
Was läßt sich da nicht Alles träumen an einem sonntäglichen Sommernachmittage!
Viel tausend Jünglinge und Jungfrauen treten zu einander und ihr Schicksal beginnt erst von dem Augenblicke, da sich die Strahlen ihrer Augen in einander schlingen; sie haben sich nichts zu berichten, als harmlose, halbverschleierte Kindererinnerungen. Ihr Leben beginnt erst jetzt, es beginnt als ein gemeinsames, und selig! wenn es so endet.
Wie ganz anders diese Beiden hier! Ein herbes Geschick lastet auf ihnen und sie tragen seine unauslöschlichen Brandmale. Darum zittern und zagen sie und schleichen bang umher. Die Wunden müssen noch einmal aufgerissen werden vor den Augen des Andern; sie quälen sich jetzt zwiefach, da sie vorahnen wollen was den Andern bedrückt, und doch kein Ziel finden.
Da kommt Jakob wieder denselben Weg, er muß um das ganze Dorf gegangen sein. Magdalena schaute nieder in den Schoos, aber sie sah doch Jakob immer näher kommen, und jetzt ging er langsamer, und jetzt sagte er halb vor sich hin:
»Heut Abend nach dem Nachtläuten hinter'm Schloßhag.«
Magdalena antwortete nicht; als sie aufschaute war Jakob fort.
Wie glänzte jetzt ihr Angesicht voll Freude; sie wußte, daß er sie auch lieb habe. Bald aber ging das Trauern wieder an. »Was muß er nur von dir denken,« sprach sie zu sich, »daß er dir so gradaus befiehlt, wie wenn's so sein müßt'. Nein, ich laß mir nicht befehlen, und ich bin kein so Mädle, das Einem nachlauft. Nein, er soll rechtschaffen von mir denken. Du kannst lang warten, bis ich komm'. Und noch dazu auf dem finstern Platz, wo's Einem gruselt. Und was soll ich für eine Ausred' nehmen? Ich bin noch nie nach dem Nachtläuten fort. Und er hätt' wol ein' Weil dableiben können, daß man's besser ausgemacht hätt'. Nein, ich will nicht. Zehn Gäul' bringen mich nicht an den Schloßhag.«
»So ist's recht,« unterbrach jetzt der Metzgerle das nur in einzelnen Lauten vernehmbare Selbstgespräch, »so ist's recht, dein Raffele muß immer gehen; wenn Niemand da ist, schwatzst du mit dir selber, da hast du schöne Gesellschaft.«
Bei diesen Worten setzte er sich hart neben Magdalena, sie aber gab ihm einen gewaltigen Stoß, daß er fast von der Staffel fiel. Sie zog den Schlüssel an der Hausthüre ab und ging auch fort. Sie war heute gar nicht zum Scherzen aufgelegt.
Als es Abend zu werden begann, ward es Magdalena wieder bang zu Muthe; es that ihr doch weh, daß sie so fest beschlossen hatte, nicht nach dem Schloßhag zu gehen. »Er wird gewiß bös sein, und er hat Recht; aber ich bin unschuldig, warum ist er so ungeschickt und ...« So dachte sie wieder und stellte sich an die Hausthüre: sie hatte keine Ruhe mehr zum Sitzen. Als die Abendglocke läutete, ging sie hinein und schaute nach den Hühnern, ob sie alle da wären. Richtig, die schöne schwarze Henne, die jeden Tag den Gott gibt ein Ei legt, die fehlt. Es ist jammerschad, nein, die muß gesucht werden, die
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