Schwarzwaelder Dorfgeschichten
stechen kann. Man kann freisinniger sein als ihr, wenn man auch nicht mit euch übereinstimmt, ja man muß das; die Staatsmacht ist das Höchste.«
»Sagen Sie Beamtenmacht,« schaltete der Buchmaier halb laut ein. Der Regierungsrath schien sich auf keine weiteren Erörterungen einlassen zu wollen; er stand wie unabsichtlich auf und machte wieder seinen Rundgang durch die große Wirthsstube und die Küche.
Heister und der Buchmaier saßen mißvergnügt bei einander und der Letztere sagte:
»Der Regierungsrath ist auch kommen, um sich von unserm Bezirk zum Landstand wählen zu lassen.«
»Weiß wohl«, entgegnete Heister, »aber weil er vor mir hinter'm Berg hält, sag' ich auch nichts.«
»Der Oberamtmann hat auch schon viel Stimmen für den Regierungsrath im Sack,« berichtete der Buchmaier; »es sind diesmal zu viel Schultheißen Wahlmänner geworden. Der Oberamtmann hat die Schultheißen immer in der Hand, die laufen ihm nicht davon; er kann sie schon drücken wenn er will. Und dann heißt es auch, wir bekommen eine Seitenbahn wenn wir den Regierungsrath wählen.«
»Larifari.«
»Er scheint gar nicht dumm,« bemerkte der Buchmaier wieder; »was er da vorhin gesagt hat, ist doch gar nicht so uneben, wenn ich auch wohl weiß zu welchem Loch er 'naus will.«
»Zu welchem Loch? Durch das leere Knopfloch zu einem neuen Orden,« ergänzte Heister lachend. »Das arme Knopfloch! sperrt das Maul auf und ist so hungrig, und es will doch nichts hereinfliegen. Ein Bändelesfutter wär' ihm zu gunnen.«
Dieser Ton schlug beim Buchmaier an, er lächelte vergnügt und Heister fuhr fort:
»Laßt euch doch von ein paar feingedrehten Redensarten nicht am Narrenseil herumführen. Der Mann hat seinen hochrothen Orden aus dem Knopfloch und die hochrothen Redensarten aus dem Munde gethan und thut ganz schlicht gegen euch. Ihr habt's ja selber gesagt: er spricht von Staatsmacht und meint Beamtenmacht. Wir wollen auch, daß der Staat stark sei; aber er soll's nur dadurch sein, daß er die Aufsicht über die Macht führt, die in Händen der Bürger liegt.«
Heister setzte nun noch weitläufig auseinander, welche Kraft einem gegliederten Staate inne wohne, der aus selbständigen Genossenschaften und Vereinen erwachse.
Wir sehen, welche Bewegungen im Dorfe vorgehen. Wer wird mitten in den Wahlkämpfen noch des unglücklichen Mädchens und des eingekerkerten Knechtes gedenken? Und doch – so wunderbar verschlingen sich die Fäden des Lebens – sollte dadurch die traurige Geschichte ihr Ende finden.
Der Regierungsrath kam plötzlich wieder in die Herrenstube und sagte: »Da draußen geht's wild her. Der Stellenjäger, der Frieder, führt das große Wort. Ich müßte alle criminalistische Witterung verloren haben, wenn der nicht frisch gestohlenes Gut in der Tasche hat.«
Die Drei waren still und horchten hin wie Frieder draußen rief: »Adlerwirth, bring' mir einen Ueberrheiner, der Wein da schmeckt ja nach nichts, der schmeckt just wie wenn man die Zung' zum Fenster 'naus streckt.«
Als der bessere Schoppen kam und schnell auf einen Zug geleert ward, rief Frieder abermals: »Adlerwirth, hast kein'n Hund da?«
»Warum?« fragte Konrad.
»Narr,« schrie Frieder hell auflachend: »Ich hab' so viel Kronenthaler, ich möcht' sie gerad einem Hund zu fressen geben. Mehlwürmer! Mehlwürmer!« kreischte er taumelnd. »Ich hab' sie dem Bäck aus der Nas zogen.«
Er schlug das Glas auf den Tisch, daß ihm die Scherben in die Hand schnitten, er stampfte gewaltig auf den Boden, fuhr sich mit beiden Händen in die Haare und zerrte sich zähneknirschend und schrie, obgleich ihn niemand fassen wollte: »Weg da, weg da! Rühr mich keiner an, oder ich schneid' ihm die Gurgel ab. Himmel heilig, weg! drei Schritt vom Leib, sag' ich!«
Er starrte stier drein, dann ließ er die Hände fallen, der Kopf sank immer tiefer, er legte ihn auf den Tisch, als wollte er einschlafen; seine Schultern schüttelte er noch immer abwehrend, als fasse ihn jemand.
Der Buchmaier, der Regierungsrat und Heister waren in die große Wirtsstube getreten. Heister wurde schnell alles klar. Er kannte Frieder als den Vater Magdalenens. Niemand als dieser hatte das Geld gestohlen.
In seinem Rausche wurde Frieder fortgebracht. Er hatte sich nur gegen die Angreifer in seinen Gedanken gewehrt; gegen die wirklichen war er ganz willig, soweit in seinem Zustande von Willen die Rede sein konnte.
Andern Tages wurde Frieder nach der Stadt geführt. Er verlangte, vorher noch
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