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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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einmal zu Magdalene gebracht zu werden, er habe ihr vieles zu sagen. Magdalene hörte und sah ihn aber nicht, sie lag in Fieberphantasien und rief nur bisweilen aus dem Traume:
    »Das Beil weg, das Beil weg ... Hauet dem Marder in den Kopf ... der Rab' hat die Löffel ...«
    Heister stand mit Thränen in den Augen an ihrem Lager. Frieder bekannte ihm auch sein früheres Verbrechen, und daß Magdalene vollkommen schuldlos.
    Jakob wurde nun frei, Frieder kam an seine Stelle.
    Wie ein siegreicher Held wurde Jakob im Dorfe empfangen. Alles drängte sich zu ihm heran, Alles faßte seine Hand; man nannte ihn einen braven, wackern Menschen und war überaus liebreich. Man lobte ihn fast noch mehr als man berechtigt war, denn Niemand kannte genau die Tiefe seines Wesens; aber Jedes hatte ihm etwas abzubitten und kam ihm nun mit doppelter Liebe entgegen.
    Heister nahm sich Jakobs an wie ein Bruder, und dieser sah jetzt selber ein, wie Recht Magdalene gehabt hatte da sie immer behauptete: es gibt eine Einigung des Menschen über die Familie hinaus – die freie, rein menschliche Liebe.
    Magdalene erkannte Jakob und Heister nur Einmal einen Augenblick, dann verfiel sie wieder in ihre Fieberphantasien und träumte vom Marder mit der Mütze, vom Kopfspalten und vom Beil.
    In der ganzen Gegend gewann es Heister alle Herzen, daß er die Unschuld so an's Tageslicht gebracht hatte. Er war Allen bereits als freigesinnter Mann bekannt, jetzt war er ihnen durch sein menschenfreundliches Wesen in den beschränkteren Lebensverhältnissen näher getreten. Die politische Freisinnigkeit zeigte sich Allen in ihrem ursprünglichen Kern: der Humanität. Die Sage verbreitete noch zum Ueberflusse, daß Heister hauptsächlich zur Befreiung der Unschuldigen in das Dorf gekommen sei, da er das Rechte schon lang geahnt habe. Mit großer Stimmenmehrheit wurde Heister zum Abgeordneten gewählt und er vertritt die Rechte des Volkes mit nachdrücklichem Freimuthe.
    Und Frieder? Wir müssen zu ihm in's Gefängniß dringen, werden aber wenig erkunden; er, der Feind alles Schweigens, regt jetzt kaum die Lippen zu einem Worte. Es muß noch ein schweres Verbrechen auf ihm lasten, denn bisweilen knirscht er doch vor sich hin:
    »Pfui, alter Schindersknecht, hast dir selber den Strick um den Hals dreht; hast's gelernt, thu's recht. Weinheber, pfui!«
    Am zweiten Tage nach der Einkerkerung Frieder's fuhr in aller Frühe ein zweirädriger Karren, dran ein mageres Pferd gespannt war, durch das Thal der Universitätsstadt zu. Auf dem Karren lag eine lange Kiste und drinnen war die Leiche Frieders. Er hatte sich im Gefängniß erhängt. Schwere, geheimnißvolle Verbrechen hat er mit hinübergenommen.
    Bald hoch in den Lüften, bald nahe geleiteten Raben den Karren. Ihr Krächzen war der einzige Klagelaut, den man vernahm. Das Fuhrwerk ging ihnen zu träge und sie flogen voraus und setzten sich auf einen hervorragenden Tannenast, ließen das Gefährt einen Vorsprung gewinnen und folgten dann immer mit Krächzen wieder nach. Oder waren es Kameraden, die sie anrufen mußten und die ablösten? Der Fuhrmann wenigstens glaubte steif und fest, es wären dieselben, die ihm bis zum Thore der Stadt folgten.
    Frieder hatte geheimnißvolle Verbrechen mit sich erdrosselt. Die Gelehrten durchforschten jede Ader seines Körpers, das Geheimniß seines Lebens fanden sie aber nirgends.
    Ein freundlicher Genius hatte Magdalene in Fieberphantasien versenkt; sie verschlief Leid und Freud der letzten Tage. Als sie nach mehreren Wochen genas, nahm Heister sie wieder zu sich in die Stadt. Sie ward wieder das selige, frohe Kind von ehedem und lebt in der Meinung: Frieder sei eines natürlichen Todes gestorben.
    Magdalene hatte keine Ruhe, bis Heister Jakob eröffnete, in welcher Beziehung sie zu Frieder gestanden. Er zuckte schmerzlich zusammen über dieses letzte grausame Geschick, überwand es aber mit seltenem Gleichmuthe, zu dessen Gewinnung ihm noch eine neue Ueberraschung verhalf.
    Als Frau Heister in die Küche trat, erkannte er augenblicklich in ihr jene junge Frau wieder, die er an jenem Schicksalsabende mit seinen Stücklein so erfreut hatte; sie war ihm im Gedächtniß geblieben, Heister hatte er nicht erkannt.
    Ein freundliches Erinnerungsband wurde nach gegenseitiger Mittheilung dadurch wieder fester geknüpft.
     
Das Idyll an der Eisenbahn.
     
    Wie klein und eng ist oft das Endziel nach großer und weiter Lebensbahn voll harter Kämpfe. So im hochfliegenden, dem Allgemeinen

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